Pressefreiheit, german style

Vor ein paar Tagen wurde der „Tag der Pressefreiheit“ gefeiert und dem Pressefreiheiterzeugniskonsumenten auf allen Vertriebskanälen eingetrichtert, wie wichtig diese sei und wie die bösen Trumps und Orbans und andere diese einschränken wollen.

Wenn man sich aber anguckt, wozu deutsche Journalisten ihre Pressefreiheit nutzen, dann könnte man auf die Idee kommen, dass hierzulande Pressefreiheit mit Kunstfreiheit verwechselt wird. Und diese Kunst besteht darin, unliebsame Fakten so zu umschreiben, dass der Leserschaft das Vorhandensein eines großen Problems suggeriert wird, wo eigentlich das genaue Gegenteil der Fall ist.

So berichtet ein Jan Dirk Herbermann, seines Zeichens „SZ-Korrespondent in Genf“, unter der reißerischen Überschrift „Private Hochrüstung am Alpenrand“ sehr tendenziös über die bevorstehende Volksabstimmung in der Schweiz bezüglich der Übernahme der EU-Schusswaffenrichtlinie.

So „informiert“ er die Leser der „Sächsischen Zeitung“ unter anderem:

„Die Schusswaffentoten, die Zahl liegt seit Jahrzehnten fast immer deutlich über 200, gelten als bedauerliche Einzelfälle.“

Welche Schlussfolgerung wird ein Zeitungsleser ohne weiteren Bezug zur Schweiz auf Grund solcher Informationen ziehen, außer, dass man angesichts 200 Schusswaffentoten dringend den Zugang zu Schusswaffen erschweren muss?

Kaum ein Leser wird sich die Mühe machen und Google bemühen, nach z. B. „anzahl opfer tötungsdelikte schweiz“ suchen und dann einen der ersten Treffer auswerten: Dem Bundesamt für Statistik der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dessen Publikationen.

Und siehe da: Insgesamt, also unabhängig vom verwendeten Tatmittel, verzeichnet die Schweiz z. B. in 2016 lediglich 45 vollendetet Tötungsdelikte!

Die angeblichen 200 „Einzelfälle“, mit denen man beim Leser den Eindruck eines ernsten Problems mit kriminellen Schusswaffenmissbrauch in der Schweiz suggeriert, sind zum größten Teil Suizide und Unfälle, keine Straftaten:


Auszug aus: „Polizeilich registrierte Tötungsdelikte 2009–2016“

Selbst wenn 200 (von ~1.000) Suiziden mittels Schusswaffe ausgeführt wurden, dann sagt das auch nur aus, dass die Anzahl der Suizide nichts mit der Verfügbarkeit von Schusswaffen zu tun hat. Sonst hätte das weitestgehend schusswaffenfreie Japan nicht 28 mal so viele Selbstmörder wie die Schweiz zu verzeichnen, obwohl die Bevölkerung nur rund 15 mal größer ist.

Das ist ein Missbrauch der Pressefreiheit für Agitation und Propaganda, Qualitätsjournalismus für die Mülltonne.

So sieht übrigens die Entwicklung der vollendeten Tötungsdelikte in der Schweiz von 1982 – 2016 aus. Hier scheint ja tatsächlich ein äußerst dringender Handlungsbedarf zu bestehen, wenn die Schweiz noch vor Anarchie und Chaos bewahrt werden soll…


Auszug aus: „Polizeilich registrierte Tötungsdelikte 2009–2016“

Download:
Polizeilich registrierte Tötungsdelikte 2009-2016 Innerhalb und ausserhalb des häuslichen Bereichs

Zeitungsartikel:

„Sächsische Zeitung“ v. 16.05.2019

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