Wer keine Waffe hat, der mordet trotzdem

In Deutschland besitzen etwa 2 Millionen Bürger legal ungefähr 5,8 Millionen Schusswaffen. Eine Handvoll dieser Waffen wir jedes Jahr für kriminelle Zwecke oder Tötungsdelikte missbraucht.

In einem der seltenen neutralen und sachlichen Presseartikel, die man zu diesem Thema in den vergangenen Jahren lesen konnte, bescheinigte der „Focus“:

Bei 0,2 Prozent aller Straftaten sind Schusswaffen im Spiel. Nur in fünf Prozent dieser Fälle kamen legale Pistolen und Gewehre zum Einsatz.

Anders ausgedrückt: 99,8 % aller Straftaten kommen gänzlich ohne Schusswaffen aus. Und in den wenigen Fällen, wo eine Waffe im Spiel war, war diese in 19 von 20 Fällen nicht legal im Besitz des Straftäters.
Screenshot ZVW-Onlinepräsenz

So weit die Faktenlage, die – so könnte man zumindest meinen – auch bald acht Jahre nach „Winnenden“ in schwäbischen Provinz-Redaktionsstuben noch in Abrede gestellt wird. Wenn man die Realität ignoriert und statt dessen lieber munter Phrasen drischt und populäre Latrinenparolen aus der Waffenverbieterszene unreflektiert wiederkäut, kommt am Ende so ein „Meinungsartikel“ heraus:

Es ist kein Zufall, dass vor allem Sportschützen und Jäger zu Mördern werden. Sie dürfen legal Waffen besitzen. Und wer eine Waffe hat, der benutzt sie auch. Wenn bei ihm die Sicherungen durchbrennen. Das gilt bei persönlichen Beziehungsproblemen ebenso wie bei politischen Wahnideen.

Ja klar, „vor allem Sportschützen und Jäger“…

Wozu sich als Redakteur mit Fakten befassen, wenn man eine gefestigte „Meinung“ hat.

Dabei reichte schon ein schneller Blick auf Wikipedia, wenn man schon zu bequem ist, sich die vom BKA öffentlich zur Verfügung gestellten Zahlenreihen zu Gemüte zu führen:

In den Jahren 1993 – 2014 wurden demnach in Deutschland von der Polizei 80.840 Straftaten gegen das Leben registriert. In 41.289 Fällen blieb es beim Versuch, 39.551 Menschen verloren als Opfer eines Tötungsdeliktes ihr Leben.

Statistisch gesehen ergibt das pro Jahr fast 1.800 oder täglich fünf Opfer von Mord und Totschlag. Die Anzahl von den angeblich 230 „Sportmordwaffenopfern“ aus 25 Jahren wird durch den alltäglichen Mord und Totschlag alle sechs Wochen erreicht, die Opferzahl von „Winnenden“ alle dreieinhalb Tage.

Wenn die Verfügbarkeit von Schusswaffen das Problem wäre, müsste die Zahl der Opfer von Tötungsdelikten bei wenigen Prozent der tatsächlichen Zahl liegen. Es gäbe nicht 1.800 Todesopfer zu beklagen, sondern ein oder zwei Dutzend.

Dass dem nicht so ist, liegt eben daran, dass außerhalb des Paralleluniversums von Martin Winterling hauptsächlich mit Händen, Messern, Beilen und allerlei anderen Haushaltsgegenständen getötet wird, aber höchst selten mit legalen Jagd- oder Sportwaffen.

Der Amoklauf in Winnenden war vor Jahren ein Anlass, dass der Staat aufwachte und den Zugang zu Waffen ein wenig erschwert und vor allem die Kontrollen verschärft hat. Das war gut und richtig.

Nein, der Staat ist nicht „aufgewacht“. Der Gesetzgeber hat sich von hysterischen Medien und hyperventilierenden Politikern zu einer Überreaktion hinreißen lassen und reine Anlassgesetzgebung betrieben. Nur absolute Realitätsverweigerer glauben daran, dass man den vorsätzlichen Bruch geltender Gesetze ausgerechnet durch noch mehr und noch strengere Gesetze verhindern kann.

Deutschland ist von amerikanischen Verhältnissen weit entfernt. Welch ein Glück. Die Todesrate in dem hochgerüsteten Volk ist ungleich höher. Weil dort jeder eine Waffe zur Hand hat, zieht er diese auch schneller.

Leider ist Deutschland auch von den journalistischen Standards der USA so weit entfernt, wie die Erde von der Sonne. Davon abgesehen, dass die „Todesrate“ in einem Volk mit 320 Millionen Einwohnern zwangsläufig höher ist, als in Ländern mit einer ein Drittel so großen Bevölkerung. Wenn man schon von den Zuständen im eigenen Land nicht den blassesten Schimmer hat, dann muss man natürlich auch noch die völlige Unkenntnis der sog. „amerikanischen Verhältnisse“ in die Welt posaunen.

Umso hartnäckiger verteidigt hierzulande die Waffenlobby ihre Pfründe. Ihr Argument stimmt sogar: Nicht die Waffen an sich sind das Problem, sondern was deren Besitzer mit ihnen anstellen. Doch dieses Argument gilt eben auch umgekehrt: Weil nicht jeder Mensch zuverlässig und vertrauenswürdig ist, sollten möglichst wenig Leute überhaupt Waffen besitzen.

Wenn von zwei Millionen Waffenbesitzern zehn pro Jahr ihre Waffen missbrauchen, dann liegt die Missbrauchsquote bei 0,0005% jährlich. Bei jährlich 1.800 vollendeten Tötungsdelikten bei 82 Millionen Bürgern liegt die Quote bei 0,0022%.

Herr Winterling sollte sich demnach lieber vor den Nichtwaffenbesitzern fürchten. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen solchen mittels Tatmittel „Haushaltsgegenstand“ unfreiwillig aus dem Leben zu scheiden, liegt um den Faktor vier höher, als von einem bösen Sportschützen mit dessen Schusswaffe gemeuchelt zu werden.

Die Wirklichkeit zu akzeptieren bedeutet aber auch anzuerkennen, dass eben jeder Mensch zum Mörder oder Totschläger werden kann. Egal, ob er in seiner Freizeit mit Schusswaffen oder Briefmarken hantiert, ob er am Fließband oder im Verkauf arbeitet oder eben als hypokritscher Lokalredakteur mit Hang zum Moralaposteltum bei irgend einem Käseblatt.

4 Kommentare

  1. Ganz einfach mal probieren: Strafanzeige wegen Volksverhetzung stellen. Es wird eine Bevölkerungsgruppe pauschal mit einer Lüge in ihrer Ehre verletzt. Aber wie ich unsere Justiz kenne, ist der Volksverhetzungsparagraph grundsätzlich nicht anzuwenden, wenn gegen Deutsch gehetzt wird.

  2. Hallo,

    ich würde mir nicht um die registrierten Waffen sorgen machen, die sind wenigstens registriert worden. Ich wurde persönlich auf der Straße mit einem Pfefferspray angegriffen, der eigentlich nur zur Tierabwehr zugelassen ist. ALso, es gibt auch schlimme Sachen, die offiziell und legal sind. Man kann nicht alles verbieten, aber einiges kann man schon, was offensichtlich auch zu kriminellen Zwecken verwendet werden kann

    LG

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