Nachdem Carmen Wegge (SPD) bereits letzte Woche über Twitter auf die VDB-Briefaktion geantwortet hat, zog auch ihr Marcel Emmerich von den Grünen auf Facebook mit einem entsprechenden Statement nach:
Zirka 36 000 Briefe von Sportschütz*innen, Jäger*innen und Mitgliedern von Schützenvereinen haben mich als Zuständigen für Waffenrecht in meiner Fraktion in den letzten Wochen erreicht.
Der Inhalt ist identisch: Das Muster für den Brief stammt vom Verband der deutschen Büchsenmacher (VdB).
Quelle: https://www.facebook.com/marcelemmerichmdb/
Es ist mir wichtig, den Anliegen des Verbandes zuzuhören und den Austausch zu suchen. Mit dem VdB habe ich mich auch bereits mehrmals persönlich getroffen.
Natürlich wäre es abwechslungsreicher, wenn es sich nicht um 36.000 aus Textbausteinen zusammengesetzte Briefe gehandelt hätte, sondern um individuelle Anschreiben. Andererseits haben viele Jäger oder Sportschützen bereits individuelle Anschreiben an Abgeordnete geschickt und erhielten auch darauf nur von der Fraktion vorgefertigte Standardschreiben, auf konkrete Anliegen wurde überhaupt nicht eingegangen. Von daher darf man zwar als Mandatsträger die Verwendung von Standardanschreiben nicht gut finden. Man sollte aber bedenken, dass die Bürger sich nicht aus Langeweile an solchen Briefaktionen beteiligen, sondern als Reaktion auf als schlecht empfundenes politisches Handeln.
Positiv ist die Bereitschaft von Herrn Emmerich, zuzuhören und mit den Interessenvertretern der vom Waffenrecht Betroffenen zu sprechen. Den restlichen Ausführungen nach zu urteilen dürfte die waffenrechtliche Expertise des Herrn Emmerich eher aus TV-Beiträge und Zeitungsmeldungen entspringen und weniger aus Fachpublikationen, Kriminalitätsstatistiken, Waffengesetz oder gar eines erfolgreich absolvierten Waffen-Sachkundelehrgangs.
Strengere Waffengesetze halte ich trotzdem für richtig. Immer mehr Menschen erwerben erlaubnisfreie Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen und beantragen zusätzlich den Kleinen Waffenschein, um solche Waffen führen zu dürfen. Das ist eine beunruhigende Entwicklung, die wir eindämmen möchten.
Ein besonderer Fokus liegt für mich ebenso darauf, dass Verfassungsfeinde und Rechtsextreme entwaffnet werden müssen. Das bedeutet auch, dass diese nicht die Möglichkeit erhalten dürfen, an Schießständen oder beim Sportschießen an der Waffe zu üben oder Schusswaffen zu besitzen. In den zahlreichen Gesprächen, die ich mit Verbänden, Sportler*innen etc. führe, trifft dieses Ziel auch auf uneingeschränkte Zustimmung.
Immer mehr Menschen beantragen den „Kleinen Waffenschein“ (KWS), weil die Politik dem zuvor erlaubnisfreien Führen von SRS-Waffen einen kostenpflichtigen Verwaltungsakt meinte voranstellen zu müssen. Um das Land sicherer zu machen, war damals die Begründung. Nun halten sich die Ehrlichen daran und beantragen ordnungsgemäß diese Erlaubnis – und nun wundert man sich, dass die Zahl der KWS jedes Jahr ansteigt. Was sollte denn sonst passieren, wenn man eine zuvor erlaubnisfreie Tätigkeit reglementiert? Das ist keine „besorgniserregende Entwicklung“, das ist schlichtweg die absehbare Konsequenz einer komplett überflüssigen Waffenrechtsverschärfung von vor 20 Jahren.
Verfassungsfeinde, Rechtsextreme und andere waffenrechtlich unzuverlässige Personen können schon lange Erlaubnisse verweigert bzw. widerrufen werden, dazu bedarf es keines neuen Gesetzes. Es ist auch bereits heute möglich, in begründeten Fällen Waffenverbote auszusprechen.
Ein solches Waffenverbot muss aber auch z. B. auf dem Personalausweis erkennbar vermerkt sein. Statt dessen lieber unbescholtene Bürger unter einen Generalverdacht zu stellen und zu zwingen, sich eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen, ist eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig. Eine solche Regelung wie geplant würde zu völlig absurden Situationen führen. Wenn man seinen 18-jährigen Sohn, dessen größte Verfehlung in seinen jungen Leben eine zehnminütige Verspätung beim Feuerwehrdienst war, nicht ohne vorherige amtliche Freigabe mit zum Schießen nehmen darf, dann bekämpft man keine Verfassungsfeinde und andere Extremisten. Diese fahren einfach ins benachbarte Ausland und lassen es dort krachen.
Schießsportvereine sind die Letzten, die auf ihren Schießstätten Verfassungsfeinde mit Waffenverboten trainieren lassen wollen. Dazu muss die Politik aber praktikable Lösungen anbieten, wie man solche Personen identifizieren kann. Pauschal alle Schießsport-Interessenten als schuldig zu erklären, bis ihre Unschuld bewiesen ist, ist jedenfalls eine äußerst fragwürdige Herangehensweise in einem freiheitlich-demokratisch verfassten Rechtsstaat.
Genau wie bei den Altersgrenzen im Schießsport gibt es keinerlei positive Auswirkungen auf die Innere Sicherheit, aber jede Menge negative Auswirkungen bzgl. der Nachwuchs- bzw. Mitgliederakquise von Schießsportvereinen.
Herr Emmerich täte gut daran, den von ihm verteidigten Referentenentwurf nicht nur zu lesen, sondern sich auch von einem Fachkundigen über die dessen Konsequenzen aufklären lässt. Sonst wundert man sich dann in einigen Jahren über die „völlig überraschenden“ Auswirkungen genau so, wie heute Bedenken wegen der steigenden Anzahl von Kleinen Waffenscheinen geäußert werden.