VDB-Briefgenerator: Carmen Wegge (SPD) hat geantwortet

Carmen Wegge (SPD) hat mit einem Artikel auf ihrer Homepage auf die VDB-Briefgenerator-Aktion geantwortet, die ihr in den letzten Wochen viel Post bescherte.

Screenshot: https://www.carmen-wegge.de/2023/02/07/meine-antwort-auf-den-briefgenerator-des-vdb/

Über den Briefgenerator haben mich zehntausende wortgleiche Briefe per Post erreicht. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten und um Ressourcen zu sparen habe ich mich dazu entschlossen, nicht postalisch zu antworten, sondern hier auf meiner Homepage. 

https://www.carmen-wegge.de/2023/02/07/meine-antwort-auf-den-briefgenerator-des-vdb/

Nachhaltigkeit – ein sehr guter Punkt von Frau Wegge. Gerade im Schießsportbereich wird Nachhaltigkeit gelebt, wie vermutlich in keiner anderen Freizeitbeschäftigung. Nicht wenige der Pistolen und Gewehre, die auf den Schießständen sportlich genutzt werden, wurden vor mehr als hundert Jahren fürs Militär produziert. Ob eine DWM 08 von 1916 oder ein US M 1917 aus dem Jahre 1918 – diese und zahlreiche andere Waffen wurden gebaut, damit Menschen auf den Schlachtfeldern in Frankreich und Belgien auf Geheiß ihrer Regierungen aufeinander schießen. Wir nutzen heute diese Waffen, um friedlich miteinander zu schießen, im Training oder im Wettkampf. Auch gibt es viele Wiederlader, die jede Patronenhülse aufklauben und sich daraus, äußerst ressourcenschonend, neue Munition laden. Mit Nachhaltigkeit rennt Frau Wegge bei den Schützen offene Türen ein. Nachhaltigkeit ist sozusagen der zweite Vorname des Schießsports.

Hintergrund der aktuellen Debatte

Im Nachgang mehrerer Terroranschläge und Amokläufe in Deutschland (darunter auch der Terroranschlag von Hanau am 19. Februar 2020) haben unsere Sicherheitsbehörden und das Bundesinnenministerium, auch im Einvernehmen mit der Innenministerkonferenz der Bundesländer, das deutsche Waffenrecht überprüft. Hierbei hat sich gezeigt, dass ergänzende Anpassungen des Waffengesetzes geboten sind. Nachdem der ehemalige Bundesinnenminister Horst Seehofer in der vergangenen Legislaturperiode noch mit einem Reformversuch gescheitert war, ist es nun unsere gesetzgeberische Aufgabe, die bekannten Schwachstellen des Waffenrechts anzugehen. Dies sehe ich als eine sicherheitspolitische Notwenigkeit an. Kern unserer derzeitigen Bemühungen ist dabei eine Verbesserung der waffenrechtlichen Personenüberprüfungen.

Unser Ziel ist es, nur geeigneten und zuverlässigen Personen den Zugang zu Waffen zu gewähren. Denn eine gründliche Überprüfung schafft mehr Sicherheit. Dabei haben wir bei der Neuregelung natürlich im Blick, dass diese nicht zu deutlich längeren Verfahren führen darf. Unter diesem Aspekt werden wir uns auch die Regelungen zu einem besseren Datenaustausch anschauen.

Die derzeit öffentlich diskutierten Vorschläge zum Waffenrecht befinden sich allerdings noch in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung und haben den parlamentarischen Prozess im Bundestag – und damit auch mich – noch nicht offiziell erreicht. Dennoch möchte ich zu einigen der diskutierten Vorschläge kurz meine Position darstellen.

Der damalige Gesetzentwurf von Herrn Seehofer ist gescheitert, weil er komplett überflüssig und nicht zielführend war. Deshalb ist ihm selbst die eigene Fraktion nicht gefolgt. Weder der Massenmord von Hanau, noch die wenigen anderen spektakulären und teilweise über 20 Jahr zurückliegenden Amokläufe in Deutschland, hätte man durch dieses völlig unpraktikable Gesetz verhindern können. Das geltende Gesetz bietet heute schon sämtliche Möglichkeiten, waffenrechtlich unzuverlässige Personen oder Verfassungsfeinde zu entwaffnen. Man muss es nur anwenden.

Überwiegende Zahl der Waffenbesitzer*innen ist rechtstreu

Es ist mir wichtig zu betonen, dass wir mit der aktuellen Debatte um das Waffenrecht in keiner Weise private Legalwaffenbesitzer*innen mit Kriminellen oder gar Reichsbürger*innen oder Rechtsextremen vergleichen möchten. Wer in Deutschland legal eine Waffe besitzt – beispielsweise im Rahmen der Jagd oder des Sports – ist in aller Regel sehr verantwortungsbewusst und gesetzestreu. Die derzeit geplanten Änderungen im Waffengesetz sollen keine Gängelung des Schießsports oder von Jäger*innen sein, sondern werden den Umgang mit legalen Waffen für alle sicherer machen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die aktuell geplante Waffenrechtsnovelle keine kurzfristige Reaktion auf die Razzien bei Reichsbürger*innen ist. Wir diskutieren diese Thematik seit Beginn der Legislaturperiode und haben einige Änderungen im Waffenrecht bereits im Koalitionsvertrag fest vereinbart. Der sich derzeit in der Ressortabstimmung befindliche Entwurf setzt im Wesentlichen die im Koalitionsvertrag vereinbarten Inhalte zum Waffenrecht um.

Doch, es ist genau das, was Frau Wegge behauptet, nicht zu wollen:

Legalwaffenbesitzer werden per se unter Generalverdacht gestellt und gegängelt. Jagd und Schießsport finden defacto unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Gefährdung der Sicherheit unbeteiligter Dritter statt. Wenn es Sicherheitsmängel auf Schießstätten gibt, dann muss es dazu ja belastbare Zahlen geben. Nachprüfbare Fakten, die man als Begründung für schärfere Gesetze ins Feld führen kann. „Gefühlte“ Bedenken von Menschen, die noch nie einen Schießstand von innen gesehen haben, sind da etwas zu wenig „Begründung“.

Wenn schon der Koalitionsvertrag bemüht wird, dann sollte man auch den Part mit der Evaluation des bestehenden Waffengesetzes nicht vergessen, bevor man dieses Gesetzeswerk mit noch mehr Vorschriften weiter überfrachtet.

Rechtsextremist*innen konsequent entwaffnen

Waffen in den Händen von Rechtsextremist*innen sind eine Gefahr. Die Zahlen zeigen den Handlungsbedarf: Rund 1.500 nachrichtendienstlich als mutmaßliche Rechtsextremist*innen gespeicherte Personen verfügen über mindestens eine waffenrechtliche Erlaubnis. Das wollen wir ändern. Dazu werden wir Verfahrensweisen erarbeiten, um den Entzug und die Versagung waffenrechtlicher Erlaubnisse besser durchsetzen zu können. Unter anderem werden wir ein Forum zum Austausch von Verfassungsschutz-, Waffen-, und Polizeibehörden unter geeigneter Einbeziehung der Verwaltungsgerichte einrichten.

Zudem wollen wir den Waffenbesitz von Extremist*innen und auch von psychisch erkranken Menschen wirksam verhindern, indem wir sicherstellen, dass den Waffenbehörden bei der Überprüfung von Zuverlässigkeit und persönlicher Eignung relevante Kenntnisse anderer Behörden zur Verfügung stehen.

Hier stellt sich zunächst die Frage, weshalb angesichts des geltenden Rechts im Jahr 2023 überhaupt noch 1.500 „nachrichtendienstlich als mutmaßliche Rechtsextremist*innen gespeicherte Personen“ über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügen. Aus welchen Grund sind die nicht längst entwaffnet, so wie es das Waffengesetz § 5 vorsieht? Außerdem wäre es wichtig zu wissen, über welche Arten von „waffenrechtlicher Erlaubnisse“ diese Rechtsextremisten verfügen. Zwischen einem „Kleinen Waffenschein“ als reine Führerlaubnis für SRS-Waffen und mehr oder wenig gut gefüllter „Gelber“, „Grüner“ oder „Roter“ Waffenbesitzkarten bestehen nun doch einige Unterschiede.

Kaum jemand, auch kein Besitzer legaler Waffen, wird widersprechen, wenn es darum geht, Personen mit bestimmten psychischen Erkrankungen den Zugang zu legalen, erlaubnispflichtigen Schusswaffen zu verwehren. Allerdings nicht in der Art und Weise, dass alle WBK-Aspiranten so lange als „psychisch krank“ gelten, bis ein Gutachter kostenpflichtig das Gegenteil festgestellt hat. Abgesehen davon, dass eine psychische Erkrankung nicht zwangsläufig mit Fremdgefährdung einhergeht. Abgesehen davon, dass wir in Deutschland eine ärztliche Schweigepflicht und Datenschutzgesetze haben, die exklusiv für Erlaubnisinhaber-Aspiranten außer Kraft gesetzt werden müssten.

Halbautomatische Waffen

Der Vorschlag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser zielt lediglich auf das Verbot kriegswaffenähnlicher halbautomatischer Waffen. Weder für den Schießsport noch für die Jagd besteht ein objektives Bedürfnis für den Erwerb und Besitz von solchen kriegswaffenähnlichen Waffen. Sie sollen in erster Linie das Gefühl vermitteln, mit einer Kriegswaffe zu schießen. In meinen Augen ist ein Verbot sinnvoll, muss aber gut und zielgenau ausgestaltet werden.

Wir werden die Ausgestaltung eines möglichen Verbotes dieser Waffen sowie dessen Sicherheitsnutzen daher zu gegebener Zeit genau prüfen und konstruktiv begleiten.

Der Vorschlag von Frau Faeser zielt nicht „lediglich“ auf ein Verbot „kriegswaffenähnlicher halbautomatischer Waffen“. Dieser Vorschlag ist ein Akt reiner Willkür und wird nicht sachlich, sondern durch die Unterstellung eines bestimmten „Gefühls“ und unter Zuhilfenahme der Wort-Neuschöpfung „kriegswaffenähnlich“ begründet. AR-15-Derivate sind nicht so populär, weil sie angeblich „das Gefühl vermitteln, mit einer Kriegswaffe zu schießen“. Welches „Gefühl“ soll das denn bei der „Anscheins-Kriegswaffe“ AR-15 sein, wenn jede Pistole 08, jede P 38, jeder K 98, jeder Mosin-Nagant, jeder Lee-Enfield aus dem Ordonnanz-Bereich eine ECHTE Kriegswaffe darstellt?

AR-15 sind präzise Sportwaffen, die sich individuell anpassen und die sich angenehm schießen lassen. Viel angenehmer und auch preisgünstiger als Weltkriegs-Kracher im Kaliber .30-06 Springfield oder 8 x 57 IS. Die Anatomie von Menschen ist die gleiche, ob man mit einer Sportwaffe oder einem Sturmgewehr hantiert. Aus welchem Grund soll dann die Sportwaffe umständlicher und unergonomischer gestaltet sein? Auf jeden Fall wird es sehr interessant, wie man ein Verbot eines bestimmten Waffentyps, bei dem kein einziger Missbrauch eines legalen AR-15 für kriminelle Zwecke in Deutschland dokumentiert ist, mit einem „Sicherheitsnutzen“ begründet. Wie verbessert man den „Sicherheitsnutzen“, wenn die Missbrauchsquote ohnehin Null ist?!?

Übrigens: Selbstverständlich besteht ein „objektives Bedürfnis“. Unser ganzes Waffengesetz fußt auf dem Bedürfnisprinzip. Ohne objektives, nachgewiesenes Bedürfnis hätte kein Jäger und kein Sportschütze auch nur eine einzige erlaubnispflichtige Schusswaffe legal in seinem Besitz.

Straftaten mit Schusswaffen

Wir erkennen bei der statistischen Erfassung von Straftaten mit Schusswaffen einigen Verbesserungsbedarf und haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt hier tätig zu werden. Eine derzeitige Prüfung dieses Vorhabens umfasst auch die Frage, welche konkreten Erfassungsparameter gegebenenfalls verbessert werden sollten. Jedoch ist diese Änderung der Statistik wie auch die ebenfalls im Koalitionsvertrag festgehaltene Evaluation des dritten Waffenrechtsänderungsgesetzes aus 2020 keine Vorbedingung für die Umsetzung der anderen waffenrechtlichen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag.

Aha. Man erkennt also, dass man gar keine vernünftige Datenbasis hat, die eine Verschärfung begründen. Aber das hindert einen nicht daran, zuerst das Waffengesetz weiter zu verschärfen, anstatt endlich einmal objektiv zu prüfen, was denn die vergangenen Waffenrechtsverschärfungen außer überbordender Bürokratie gebracht haben. Und wie viele Straftaten nicht wegen zu lascher Waffengesetze nicht verhindert wurden, sondern weil der gegebene rechtliche Rahmen nicht ausgeschöpft wurde.

Illegale Waffen sind ein Problem

Das Problem des illegalen Waffenbesitzes werden wir mit einer Änderung des Waffengesetzes nicht bekämpfen können – und darum geht es bei der anstehenden Novelle auch nicht. Dafür brauchen wir gute Rechtsgrundlagen für unsere Sicherheitsbehörden und eine effektivere Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Und auch in diesen Bereichen sind wir sehr aktiv. Wir werden beispielsweise das Bundespolizeigesetz erneuern und haben die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit gemacht.

Mit der Strategie zur Bekämpfung der Schweren und Organisierten Kriminalität setzen wir neue Maßstäbe. Zentrale Ziele sind die nachhaltige Zerschlagung von kriminellen Strukturen und die konsequente Abschöpfung von inkriminierten Gewinnen sowie die Schaffung der dafür erforderlichen Rahmenbedingungen. Die Strategie formuliert hierzu zahlreiche Maßnahmen, die sich bereits in der Umsetzung befinden.

Doch, Frau Wegge. Genau um die illegalen Waffen sollte es endlich auch einmal gehen, nicht immer nur um die legalen Waffen, die für den kleinsten Teil der Straftaten verwendet werden.

Wenn von 20 Tatwaffen nur eine legal im Besitz des Täters und die anderen 95% illegal waren, welchen Zugewinn soll denn da ausgerechnet eine weitere Reglementierung der deliktisch ohnehin fast irrelevanten Legalwaffen bringen?

Deutschland als Transitland mit neun offenen Landgrenzen ersäuft regelrecht in einem Zustrom von illegalen Schusswaffen und militärischen Kampfmitteln. Man kann aber nicht den Sumpf trockenlegen, so lange man sich nicht die Füße nass machen möchte. So lange es die Politik lieber bequem macht und ihr Glück in der Legalwaffenbesitzer-Wüste versucht, so lange werden die organisierte Kriminalität, Clans und Terroristen weiterhin leichtes Spiel haben.

Frau Wegge verteidigt einen Referentenentwurf, der es dem BKA auferlegt, einzeln über das Aussehen von 135.000 legal erworbenen, sportlich oder jagdlich genutzten AR-15-Derivaten zu entscheiden. Unsere über 500 Waffenbehörden werden für Jahre durch die geplante Nachregistrierung von vielen Millionen SRS-Waffen und Armbruste, die Neuausstellung bzw. Änderung hunderttausender „Kleiner Waffenscheine“ und Unbedenklichkeitsbescheinigungen gelähmt. Wann sollen sich das BKA und andere Behörden eigentlich noch um ihre Kernaufgaben kümmern, wenn dieses Gesetz durchkäme und ausgerechnet die rechtstreuesten Bürger als Zielgruppe für noch mehr staatliche Überwachung und Drangsalierung herhalten müssen? Kriminelle & Co. dürften sich jedenfalls freuen, ihnen kann der Staat dann immer weniger seiner Kapazitäten widmen.

Insgesamt kann ich daher die Intention und die Ziele der geplanten Waffenrechtsnovelle mittragen. Wenn der Entwurf dann zu uns ins Parlament kommt, werden wir ihn sicherlich konstruktiv diskutieren. Nicht nur in der Ampel, sondern auch mit den Verbänden und den Waffenbesitzer*innen.

Die Intention, das Waffengesetz so zu gestalten, dass es Kriminelle, Extremisten, Terroristen und/oder Verfassungsfeinde vom legalen Erwerb bzw. Besitz erlaubnispflichtiger Feuerwaffen abhält, wird sicher kein Anhänger unser freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht teilen.

Um dies zu erreichen, müsste aber das ganze Waffengesetz entrümpelt und von über Jahrzehnte angesammelten, unnötigen Ballast befreit werden. Dazu sollte man das Waffenrecht aber qualifizierten Experten überlassen und nicht als Spielwiese einiger von vorneherein gegen privaten Waffenbesitz eingestellten Ideologen überlassen.

Auf ihrer Webseite nennt Frau Wegge sehr ehrenwerte Ziele ihrer politischen Arbeit:

Ich möchte mich vor allem für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie insbesondere in Sicherheitsbehörden, die Bekämpfung von Rechtsextremismus, für die Gleichstellung von Frauen und die Legalisierung von Cannabis stark machen. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist der Kampf gegen digitale Gewalt, Hass und Hetze im Netz.

https://www.carmen-wegge.de/meine-arbeit-im-bundestag/

Für Frau Wegge besteht nun die Möglichkeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Dazu muss sie sich den Referentenentwurf nur einmal von vorne bis hinten durchlesen. Das sollte eigentlich schon reichen, um diesen „Verhältnismäßigkeitsprinzip“, „Erforderlichkeit“ und „Geeignetheit“ pervertierenden Gesetzesentwurf nicht zu unterstützen und so tatsächlich Rechtsstaatlichkeit und damit unsere Demokratie zu stärken.