„Kriegswaffenähnliche Schusswaffen“: Auf den Spuren einer Wortschöpfung

Seit ein paar Jahren geistern sie durch Gesetzentwürfe, Zeitungsartikel und TV-Beiträge: Die „kriegswaffenähnlichen“ Schusswaffen, die wegen ihrer „Kriegswaffenähnlichkeit“ als besonders gefährlich und deshalb verbotswürdig dargestellt werden.

Ein gutes Hilfsmittel, um das Aufkommen und die Verwendung der Wortschöpfung „kriegswaffenähnlich“ zu ergründen, ist das „Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS). Dort kann man einen Begriff ins Suchfenster eingeben und auf der rechten Seite wird dann angezeigt, in welchem Korpora sich Belege zu diesem Ausdruck finden.

Die erste Erkenntnis: In den drei Referenzkorpora, die den Zeitraum von 1598 – 2010 erfassen, taucht „kriegswaffenähnlich“ gar nicht auf. Den ersten Treffer findet man in einem Artikel aus der „Berliner Zeitung“ vom 28.12.2002. Allerdings nicht im Kontext mit halbautomatischen Gewehren, sondern mit Feuerwerksbatterien mit dem martialischen Namen „Desert Storm“.

Man kann zwischen den Jahren mit Gänsefett im Bauch, Restglühweinalkohol im Kopf und Müdigkeit in den Beinen auf dem Weg zum Buch-Hemd-CD-Umtauschen zwischendurch sein letztes pfandfreies Dosenbier kaufen oder aber man kann sich am Silvesterabend auf dem Neuköllner Gehweg zwischen die Abschussplätze der kriegswaffenähnlichen „Desert Storm 81-Schuss-Batterie“ und des „100-Schuss-Leuchtkugelhagels“ wagen.

Korpustreffer für »kriegswaffenähnlich«, aus dem Korpus Berliner Zeitung des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache,  abgerufen am 27.01.2023.
Screenshot: https://www.dwds.de/

Doch es gibt insgesamt 28 Treffer. Drei davon bei der „ZEIT“, und zwar einmal in der Ausgabe vom 05.03.2016 und zweimal in der vom 25.04.2013. Eine Erwähnung kommt aus dem Wikipedia-Korpus, die sich aber auf einen der 23 Treffer aus dem Bundestagskorpus (1949 – 2017) bezieht.

Von diesen 23 Übereinstimmungen finden sich alleine zehn im Plenarprotokoll Nr. 17/152 vom 19.01.2012 und nehmen Bezug auf den von den Grünen als TOP 16 eingebrachten Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes – Schutz vor Gefahren für Leib und Leben durch kriegswaffenähnliche halbautomatische Schusswaffen„. Diese Treffer beziehen sich allesamt entweder auf die Nennung des sperrigen Namens des Gesetzenwurfs oder auf Redebeiträge von Abgeordneten der Union, SPD und FDP, die diesen zurückweisen.

Unter TOP 20 beriet der Bundestag, dokumentiert im Plenarprotokoll Nr. 17/175 v. 26.04.2012, über das Nationale Waffenregister. Der Begriff „kriegswaffenähnlich“ wurde in zwei Redebeiträgen dazu genannt.

Auch im Plenarprotokoll Nr. 17/232 v. 22.03.2013 geht es unter TOP 35 um den am 19.01.2012 beratenen Gesetzentwurf der Grünen, „kriegswaffenähnlich“ taucht in diesem Dokument an sieben Fundstellen auf. Auch hier beziehen sich alle Treffer auf den Namen des Gesetzesentwurf sowie diesen ablehnende Redebeiträge.

Zwei weitere Fundstellen trägt das Plenarprotokoll Nr. 18/222 vom 10.03.2017 bei. Wieder ging es unter den Tagesordnungspunkten 52 a und 52 b um Fragen des Waffenrechts. Beide Treffer finden sich im Redebeitrag der SPD-Abgeordneten Gabriele Fograscher, die erneut mittels fundierter Argumente den grünen Vorschlag zurückweist.

Die zwei verbliebenen Erwähnungen beziehen sich auf die Jahre 1977 bzw. 1991 und ohne Zusammenhang zu Selbstladebüchsen.

Die „ZEIT“ verwurstelte in der Ausgabe 13 vom 25.04.2013 die grüne Wortschöpfung in einem sehr tendenziösen und unsachlichen Artikel zweimal.

Screenshot: https://www.zeit.de/

Eine weitere Fundstelle birgt die „ZEIT“-Ausgabe Nr. 9 vom 05.03.2015 in einem der berüchtigten Hetz- und Diffamierungsartikel gegen Sportschützen aus der Feder von Roman Grafe.

2017 taucht „kriegswaffenähnlich“ dann zwölf mal in der Bundesrat Drucksache 5/17 vom 10.01.2017 auf, in der die Hansestadt Bremen einen entsprechenden Antrag zur Änderung des Waffengesetzes einbrachte.

Googlen bringt auch nur relativ junge Treffer, auch hier reicht keiner weiter als knapp zehn Jahre zurück. Zwar werden auch Seiten aufgelistet, die zwischen 2000 und 2010 diesen Begriff verwendet haben sollen. Das waren aber alles Onlineausgaben von Zeitungen, bei denen unter einem alten Artikel auch Verweise auf neuere Beiträge verlinkt waren, in denen der Suchbegriff dann vorkommt.

Screenshot: Weser Kurier

„Kriegswaffenähnlich“ bzw. die Abwandlung „kriegsähnlich“ ist ein politischer Kampfbegriff, der ursprünglich von den Grünen geschaffen wurde, um einem Gegenstand ausschließlich auf Grund seiner äußeren Beschaffenheit eine besondere Gefährlichkeit anzudichten. Damit versuchte man, ein angeblich erforderliches Verbot zu begründen. Im Dunstkreis grüner Waffenverbotsideologen fiel „kriegswaffenähnlich“ auf fruchtbaren Boden und wurde direkt in politische Agitation in Form weiterer Gesetzesentwürfe zum Verbot von deliktisch völlig irrelevanten Selbstladebüchsen mit militärischen Anschein umgesetzt. Auch bei den „seriösen“ Leit- und Qualitätsmedien hatte man keine Scheu, diese Wortschöpfung der grünen Propagandaabteilung gerne und häufig zu verwenden. So unter anderem in dem „Report Mainz“ – Machwerk „Waffen für alle – neuer Lifestyle in Deutschland?„. Inhaltlich eine Vorwegnahme der Wochen später von Nancy Faeser präsentierten, geplanten Waffenrechtsverschärfung.

Durch das Verbot kriegswaffenähnlicher halbautomatischer Feuerwaffen soll die Verfügbarkeit dieser Waffen verringert werden. Diese Waffen wirken besonders anziehend auf bestimmte Personenkreise und Tätergruppen, welche für Amok- und Terrortaten eine hohe Relevanz aufweisen. Die terroristischen Anschläge von Utoya, Norwegen sowie Christchurch, Neuseeland, wurden mit solchen Waffen verübt. Wegen der Manifeste der Täter im
Internet ist eine Nachahmung nicht auszuschließen

Referentenentwurf v. 09.01.2023, Seite 15

Bei allem, was man den Grünen an realitätsferner und von selektiver Wahrnehmung und Doppelstandard geprägten Politik vorwerfen mag: In wenigen Jahren haben sie es geschafft, einen Begriff, der tatsächlich das Zeug zum „Unwort des Jahres“ hätte, zu erfinden und erfolgreich in Politik und Medien zu etablieren. Das ist die wahre Stärke der Grünen: Sie haben es nicht so mit den Fakten in Form langweiliger technischer Details, Physik und Naturgesetzen. Sie beanspruchen einfach die Deutungshoheit über immer mehr Themen für sich. Mangelnde Expertise wird dabei durch eine kreative Verwendung unserer Sprache ersetzt. Und das auch noch höchst erfolgreich.

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