Kleiner Waffenschein, große Wissenslücken

Seit fast 20 Jahren gibt es den „Kleinen Waffenschein“ (KWS). Ein großes Thema in den Medien ist diese Form der waffenrechtlichen Erlaubnis aber erst seit 2016, als in der Folge der Silvester-Ereignisse auf der Kölner Domplatte ein regelrechter Run auf dieses Dokument einsetzte.

Auch aktuell ist der „Kleine Waffenschein“ wieder in den Medien präsent, Blaulichtblog berichtete ebenfalls. Auffällig ist, dass es auch nach sieben Jahren regelmäßiger und intensiver Berichterstattung zu diesem Thema teils hanebüchener Unsinn postuliert wird.

„Rekorde
„Noch nie hatten so viele Deutsche einen Kleinen Waffenschein.“ Solche und ähnliche Rekord-Meldungen begleiten uns seit Jahren und werden uns auch noch die nächsten Jahrzehnte begleiten. Die vermeintlich spektakuläre Meldung ist heiße Luft. Der KWS ist eine unbefristete Erlaubnis und verfällt nicht automatisch. Von daher reicht es für einen neuen Rekord bereits aus, wenn im aktuellen Jahr nur ein einziger KWS mehr ausgestellt als widerrufen wird. Widerrufsquoten im Promillebereich lassen eher nicht erwarten, dass die Anzahl in naher Zukunft sinkt. Viel eher dokumentiert dies, dass KWS-Inhaber nicht nur zum Zeitpunkt der Erteilung rechtstreu und unbescholten sind, sondern es auch bleiben.

Führerlaubnis, nicht Erwerbserlaubnis
Der weitverbreitete Irrglaube, dass in Deutschland für Erwerb und Besitz einer scharfen Waffe ein „Waffenschein“ erforderlich sei, wird einfach auf den KWS übertragen. Ohne jede weitere Recherche, z. B. ein Blick ins Waffengesetz, wird der Kleine Waffenschein als Erwerbserlaubnis fehlinterpretiert, ohne den man keine SRS-Waffe kaufen dürfe. So liest man z. B. beim „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) folgende Fehlinformation:

Die Zahl der Gas- und Schreckschusswaffen in Deutschland steigt weiter. Ende Dezember 2021 waren im Nationalen Waffenregister 740.038 Kleine Waffenscheine – also Berechtigungen für diese Waffen – vermerkt. Dies sind knapp fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

https://www.rnd.de/politik/schreckschusswaffen-in-deutschland-zuwachs-im-vergleich-zu-2021-BULLLE3NBZBRRN6DLOKFALAESY.html

Das Nationale Waffenregister vermerkt aber nur die Anzahl der erteilten Erlaubnisse, nicht die Anzahl der SRS-Waffen in Deutschland. Es ist zwar wahrscheinlich, dass die Zahl der SRS-Waffen in Deutschland weiter steigt, es könnte aber auch das Gegenteil der Fall sein. Das liegt daran, dass man weder für den Erwerb eine Erlaubnis benötigt, noch dass man nach Erteilung eines KWS verpflichtet ist, eine SRS-Waffe zu erwerben. Diese werden und wurden nicht registriert, es gibt nach fast 120 Jahren an nahezu unreguliertem Handel zig Millionen davon im Volk. Wer die hat und wo die liegen, weiß niemand.

Der Kleine Waffenschein erlaubt dem Inhaber lediglich das Führen, also das zugriffsbereite Tragen solcher Platzpatronenwaffen in der Öffentlichkeit. Nicht mehr, nicht weniger. Der Erwerb ist nach wie vor frei ab 18 Jahren, wie das in der Bundesrepublik seit vielen Jahrzehnten möglich ist.

  • Ein KWS ist zum Erwerb von SRS-Waffen nicht erforderlich
  • Beantragung bzw. Erteilung eines KWS ist keine Verpflichtung zum Kauf/Besitz einer SRS-Waffe
  • SRS-Waffen können erworben/besessen werden, ohne dass ein KWS erteilt wurde/werden muss
  • KWS ist nur erforderlich für SRS-Waffen-Besitzer, die diese legal FÜHREN wollen

„Potenziell tödlich“
Besonders in Filmbeiträgen zum Kleinen Waffenschein wird regelmäßig, meist von Polizeigewerkschaftsfunktionären, vor den Gefahren gewarnt, die von SRS-Waffen ausgehen können. Dabei wird dann, gerne mit unheilschwangerer Musikunterlegung, ein Block Gelatine oder eine Wassermelone mit einem aufgesetzten Schuss aus einer Platzpatronenwaffe malträtiert. Experten bestätigen dann an Hand des Schadensbildes, dass so ein aufgesetzter Schuss an der „richtigen“ Stelle bei Menschen schwere bis tödliche Verletzungen hervorrufen könnte.

Natürlich könnte das ein aufgesetzter Schuss. Allerdings interessiert es die besorgten Reporter solcher Beiträge nie, ob bzw. wie oft in Deutschland KWS-Inhaber mit legalen SRS-Waffen überhaupt in solchen Fällen in Erscheinung treten.

Wer auf Gewalt aus ist, der geht für gewöhnlich nicht aufs Amt, beantragt kostenpflichtig eine waffenrechtliche Erlaubnis zum Führen einer frei erwerbbaren SRS-Waffe, um damit dann vorsätzlich Dritte zu verletzen oder gar zu töten. Wer darauf aus ist, der wird sich auch das Geld für eine Platzpatronenpistole sparen und zu einem viel beliebteren Tatmittel greifen, das man bereits für einen Euro an jeder Ecken kaufen kann, das tödlich und in vielen Varianten ganz legal zu führen ist: Das Messer.

Was ein kleines Gemüse-Messer oder gar eine kraftvoll geschwungene Machete bei einer Wassermelone oder ballistischer Gelatine anrichtet, wird dem Publikum dagegen lieber vorenthalten. Obwohl man dabei sogar auf die unheilschwangere Musikunterlegung verzichten könnte, so verstörend wäre das Ergebnis.

So gleicht die Berichterstattung über in vielen Fälle eher einer Agitation gegen den „Kleinen Waffenschein“. Eine nahezu ritualisiert anmutende Distanzierung der Redakteure von allem, was wie eine Schusswaffe aussieht und „Waffen im Volk“ betrifft bei gleichzeitigem Heraufbeschwören abstrakter und dem Ignorieren viel wahrscheinlicherer Risiken.