Die „SZ“ und das Kriminalitätsparadoxon-Paradoxon

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat mit „Eine Pistole zum Mitnehmen, bitte“ mal wieder einen Artikel zum Thema Waffenbesitz bzw. Waffengesetz veröffentlicht. Für SZ-Verhältnisse relativ neutral, auch wenn zum Ende der obligatorische erhobene Zeigefinger kommt und man dem Leser vermittelt, dass legale Waffen im Zweifel doch Teufelswerk sind. Erfurt, Winnenden, Hanau lassen grüßen. Die üblichen Negativbeispiele, die nie fehlen dürfen. Auch nicht nach mehr als 20 Jahren nach „Erfurt“ und fast 14 Jahren nach „Winnenden“. Leider ist der Artikel hinter der Paywall und somit nur für Abonnenten vollständig lesbar.

Besonders interessant ist in dem Artikel aus der Feder von Marcel Laskus allerdings die Ansicht von Frank Asbrock, der als Sozialpsychologe am Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen an der TU Chemnitz forscht:

Für Frank Asbrock gibt es nur schlechte, jedenfalls im privaten Bereich. Am Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen an der TU Chemnitz hat der Sozialpsychologe mit seinem Team in ganz Deutschland 5000 Menschen zu ihrem Sicherheitsgefühl befragen lassen. 70 Prozent von ihnen gehen davon aus, dass die Zahl der Straftaten zugenommen hat. Dabei sind bei 90 Prozent aller Straftaten die Zahlen seit Jahren rückläufig. Asbrock spricht vom „Kriminalitätsparadoxon“. (…)
„In der breiten Forschung gibt es keinen Hinweis darauf, dass es gut ist, wenn Menschen sich aufrüsten.“ Die Zahl der Straftaten nehme dadurch jedenfalls nicht ab. Im Gegenteil.

https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/waffenrecht-berlin-bedrohung-pistole-e914453/

Tatsächlich erscheint es irrational, wenn sich Menschen mit „Kleinen Waffenscheinen“ (KWS) versorgen und in gleichen Maße mutmaßlich auch freie SRS-Waffen erwerben, obwohl die Straftaten „seit Jahren rückläufig“ sind. Zumindest die Anzahl der KWS ist, im Gegensatz zu den SRS-Waffen, behördlich registriert. Und diese KWS stiegen von 2016 bis 2021 um satte 51% an – wie ebenfalls aus dem SZ-Artikel hervorgeht:

Zwischen 2016 und 2021 stieg die Zahl der Kleinen Waffenscheine in Deutschland von 470 000 auf 710 000. 

https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/waffenrecht-berlin-bedrohung-pistole-e914453/

Allerdings hätten wir hier dann ein zweites Paradoxon, das anscheinend weder dem Herrn Asbrock, noch dem SZ-Autor aufgefallen ist:

Wenn seit Jahren die Kriminalität zurückgeht UND im gleichen Zeitraum der Anzahl der KWS und der SRS-Waffen massiv ansteigt, wie geht das mit der von Herrn Asbrock geäußerten These konform, dass „die Zahl der Straftaten dadurch nicht abnehme“? Das Bundeskriminalamt zumindest vermeldete bei der Vorstellung des letzten Bundeslagebild „Waffenkriminalität“ einen seit 2018 rückläufigen Trend bei Verstößen gegen das Waffengesetz!

Screenshot: https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2022/Presse2022/220620_PM_Waffenkriminalitaet.html

Es wäre unseriös zu behaupten, dass der Rückgang der Verstöße gegen das Waffengesetz schlichtweg nur daran liegt, dass immer mehr Bürger einen Kleinen Waffenscheine besitzen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass durch die Aufklärung im Waffenfachhandel beim Verkauf der dazugehörigen SRS-Waffen die zukünftigen Besitzer über die waffenrechtlichen Vorgaben dazu informiert werden und entsprechende Waffenrechtsverstöße deshalb unwahrscheinlicher werden.

Wenn aber hunderttausende Menschen „aufrüsten“ und gleichzeitig die Kriminalität allgemein und die Verstöße gegen das Waffengesetz im Speziellen sinken, dann haben wir es eher mit einem Kriminalitätsparadoxon-Paradoxon zu tun. Dann verhält sich nicht nur das Kaufverhalten bzgl. SRS-Waffen diametral zur tatsächlichen Bedrohungslage. Auch die Realität in Form zurückgehender Waffenkriminalität bei steigender Anzahl von SRS-Waffen verhält sich diametral zu den „Erkenntnissen“ des Kriminologen.

Möglicherweise ist aber auch einfach die „breite Forschung“ nicht objektiv und „more guns, less crime“ ist schlichtweg etwas, was nicht sein kann, weil es nicht sein darf.