Opferinstrumentalisierung extrem

Fast müsste man Mitleid mit dem Sportschützen-Stalker haben:

Erst wird seine sorgsam zusammenfantasierte „Sportmordwaffenkarte“ auseinandergenommen wie eine Weihnachtsgans, dann scheitert er vorm Bundesverfassungsgericht. Auf dieses Scheitern wird mit einem verbalen Rundumschlag übelster Sorte – er nennt das „Pressemitteilung“ – reagiert, die nicht mehr und nicht weniger die Karlsruher Richter für zukünftige Amokläufe verantwortlich macht.

Nach dieser blindwütigen Attacke auf ein Verfassungsorgan ist die Wut aber keineswegs verraucht oder gar die Zeit für eine Versachlichung der Debatte gekommen.

Statt dessen übt man sich in extremer Opferinstrumentalisierung und schiebt eine weitere Pressemitteilung nach. Jetzt muss Frau Nalepa herhalten. Ein weiteres Mal, so hofft man wohl, soll die Betroffenheitskarte stechen, eine sachliche, faktenorientierte Diskussion unterbunden und wohlwollende Berichterstattung ausgelöst werden.

Reaktion Barbara Nalepa auf den Beschluß des
Bundesverfassungsgerichts vom 15.2. 13 zum Waffengesetz
(…)
Ich kann nicht fassen, daß wir in einem Land leben, in dem alles wichtiger ist als der Schmerz der Hinterbliebenen. Wer interessiert sich noch für dieses Blutbad? Was war Winnenden, fragen sich die Leute inzwischen. Ein kurzer Film? Die Leute denken, es wird uns nicht treffen.

Anders funktioniert das nun mal nicht.

Jeden Tag passieren Tragödien, sterben Unschuldige und bleiben verzweifelte Angehörige zurück. Ist das Leid und die Verzweiflung der Hinterbliebenen von Opfern des alltäglichen Irrsinns etwa weniger, nur weil „normalerweise“ an 12 Tatorten jeweils ein Mensch stirbt und nicht an einem Tatort ein Dutzend Menschen?

Ist die Trauer und der Schmerz über einen sinnlosen Verlust bei einem Opferangehörigen in Rostock, Köln oder Regensburg weniger intensiv, als in Winnenden? Vergießt man weniger Tränen, wenn ein Angehöriger, wie weit über 99% aller Opfer von Tötungsdelikten in Deutschland, nicht durch eine „Sportwaffe“ starb?

Und ja, die Leute haben Recht wenn sie denken, dass es sie nicht treffen wird.

Nur so kann man den Alltag meistern. Sollen wir die Autobahn meiden oder Autos verbieten, weil die theoretische Chance besteht, mit einem Geisterfahrer zu kollidieren?

Wir alle wissen, dass unsere Lebensspanne endlich ist und wir früher oder später das Zeitliche segnen werden. In dem wir genau diese Tatsache so gut wie es geht im Alltag verdrängen, können wir sie überhaupt nur ertragen und unser Leben meistern. Jeder Mensch hat seine eigenen Sorgen und Nöte, hinter denen jede auch noch so viel Betroffenheit und Mitgefühl auslösende Irrsinnstat wie „Winnenden“ irgendwann zurücksteht. Das Lebem geht nunmal trotzdem weiter.

Der Sohn des Angeklagten hat meine Tochter erschossen, mit der Waffe des Vaters. Der hat mein ganzes Leben kaputtgemacht.

Und für diese abscheuliche Tat eines durchgeknallten Teenagers sollen Millionen unbescholtene Bürger büßen und bestraft werden? Die Rache an Unschuldigen? Völlig unverhältnismäßige Verbote die, wenn überhaupt, bestenfalls im Promillebereich Auswirkungen zeigen?

Wird davon das von einem Massenmörder kaputt gemachte Leben wieder ganz?

Es muß wirklich erst einen Richter treffen oder einen Politiker, daß sie auf unserer Seite sind und sich Gedanken machen. Die leben ihr Leben weiter, und ich gehe seit vier Jahren jeden Tag zum Grab meiner Tochter.

Ein äußerst zynisches Ansinnen. Richter und Politiker zu wünschen, dass ihre Kinder einem Tötungsdelikt zum Opfer fallen, um „die Seite zu wechseln“ – so wird man wohl eher das genaue Gegenteil erreichen.

Frau Nalepa hat natürlich jedes Recht der Welt, diese – aus ihrer Sicht – nicht zufrieden stellende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu kritisieren.

Ob der gewählte Weg, sich von einem profilierungssüchtigen Journalisten zur Befriedigung von dessen Geltungsdrang verheizen zu lassen der richtige war, darf aber bezweifelt werden.

4 Kommentare

  1. Frau Nalepa hat jedes Recht, verzweifelt zu sein und diese Verzweiflung auch in die Welt zu tragen.
    Auch als legaler Waffenbesitzer kann und werde ich Frau Nalepa nicht als Gegner betrachten, sondern als Menschen, der mein ganzes Mitgefühl hat.

    Was der Herr Grafe ihr aber wohl nicht erzählt hat, als er sie zu dieser Äußerung veranlasst hat, ist, dass das BverfG die Klage gar nicht anders entscheiden konnte. Die Kompetenz für die Gesetzgebung liegt eben nicht beim Verfassungsgericht, sondern bei der gewählten Volksvertretung. Wer die Nichtannahmeentscheidung gelesen hat, kann dies auch unschwer erkennen. Dass ein Herr Grafe diese Mutter immer noch instrumentalisiert und nicht zur Ruhe kommen lässt, das ist der wahre Skandal bei dieser Geschichte !

  2. Guten Tag,

    zunächst stimme ich Michel König vollständig zu. Ich erlaube mir jedoch auch die kritische Anmerkung, dass die inhaltliche Aussage, es sterben jeden Tag Menschen, zumindest missverständlich ist und Anlass zu weiteren Diskussionen geben kann.
    Im Ergebnis bin ich bei Benedikt Krainz und Michel König. Es kann nicht sein, dass ca. 1,2 Millionen Menschen (nach Pressemitteilungen die Anzahl der Besitzer legaler erlaubnispflichtiger Waffen in Deutschland) dafür büßen sollen, dass einige wenige Einzelne völlig versagen. Es ist ein anerkannter Satz der Rechtsprechung, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit dieser Entscheidung inhaltlich wiederholt.
    Auf tragischste Weise hat sich dieses Risiko auch für Frau Nalepa realisiert.
    So abgenutzt dieses Argument auch erscheinen mag:
    das Risiko, durch einen Amoklauf in Deutschland mit einer legalen Waffe aus dem Leben zu scheiden ist geringer, als vom Blitz getroffen zu werden.
    Eine derartige Wahrscheinlichkeit rechtfertigt es nicht, 1,2 Millionen Menschen in ihren Rechten zu beschneiden.
    Ich kann für Frau Nalepa nur hoffen, dass sie ihre Trauer bewältigt und nicht weiter instrumetnalisiert zu werden.
    Betroffenheit vermag jedenfalls inhaltliche Argumente nicht zu ersetzen.

    Viele Grüße

    Volker

  3. Grafe? Einfach nur krank. Man muss ihn aber verstehen. Mit dem Verlust seiner Tochter kann er, zumindest zeitweise, einigermaßen Geld erwirtschaften, was er ja als Finanzberater nicht ansatzweise geschafft hat.

    Bitte nicht verwechseln: Herr Schobers zwar irrationaler, aber menschlich nachvollziehbarer Groll ist das eine, ein gewerbsmäßiger Sportschützen-Stalker vom Schlage eines R. Grafe etwas völlig anderes.

    B. Krainz

  4. @P. Meier: Ach… Schober nutzt das ganze nicht finanziell aus? Seine geschäfte liefen vorher den Bach runter jetzt ist er in der Chefetage und finanziert sich sein gehalt über Spenden der Antiwaffenlobby… irgendwie zieht er doch auch Kapital aus er Sache, oder?

Kommentare sind geschlossen.