Mit Musik geht alles besser

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Singen schützt vor Haue, jedenfalls glaubt man das in Berlin.

Auf der Seite der Berliner Polizei gibt man diesen wohlmeinenden Tipp:

Täter erwarten von Ihrem Opfer meist ein bestimmtes Verhalten. Versuchen Sie, sich möglichst selbstbewusst zu geben und keine Angst zu zeigen. Lassen Sie sich nicht auf den Täterplan ein. Wenn Personen Sie anpöbeln, um Sie zu provozieren, schimpfen Sie nicht zurück, sondern gehen Sie ohne anzuhalten einfach weiter. Verblüffen Sie Täter mit überraschenden Aktionen. Täuschen Sie z.B. Telefonate mit dem Handy vor. Simulieren Sie Krankheiten, Übelkeit oder fangen Sie laut an zu singen, um dadurch die Täter aus dem Konzept zu bringen.

In der Theorie wird der Gewalttäter dann bestimmt inne halten oder gar die musikalische Darbietung seines Opfers beklatschen und somit den ersten Schritt auf dem Weg zur Resozialisierung gehen.

Klatschen wird der Täter, allerdings nicht ehrfürchtig seine Hände gegeneinander, sondern den Kopf des Opfers auf den Betonboden.

Es soll nun mal auch Totschläger geben, die jedes Verhalten ihres Opfers – also auch die bloße physische Präsenz – als Provokation interpretieren, da wird auch das Singen eher kontraproduktiv, denn deeskalierend wirken. Vielleicht singt man in der falschen Tonlage, in der falschen Sprache, das falsche Lied… oder dem Gegenüber ist es schlichtweg egal, da er keinen Grund braucht, um einem völlig Unbekannten die Fresse zu polieren und ihn anschließend ins Koma zu treten.

Immerhin geradezu vorbildlich im Umgang mit Rechtsbrechern zeigte sich der zuständige Berliner Innensenator Körting vor zwei Jahren, als er schon im Vorfeld einer möglichen Konfrontation lieber Fersengeld gab. Ob das Trällern eines fröhlichen Liedchens nicht fruchtete oder ob der Herr Senator gleich ganz darauf verzichtete, ist leider nicht bekannt.

Und notfalls hatte er ja auch noch ein paar bewaffnete Personenschützer im Schlepptau, die ihrem Dienstherrn, wenn schon nicht durchs Intonieren vom „Holzmichl“, dann wenigstens durch ihre Dienstpistolen den Allerwertesten gerettet hätten.

Der „kleine Mann“ darf seit der Waffenrechtsverschärfung von 2008, maßgeblich daran beteiligt waren übrigens eben jener tapfere Innensenator und sein Polizeichef, so gut wie nichts mehr mit sich führen, was auch nur annährend geeignet wäre, sich gegen einen rechtswidrigen Angriff zu verteidigen.

Aber immerhin gesteht man dem Bürger zu, in einer lebensgefährlichen Situation zu singen und damit den Täter zu verwirren. Vielleicht sollte man statt dessen lieber ein Gedicht rezitieren, z. B. „Erinnerung aus Krähwinkels Schreckenstagen“ von Heinrich Heine. Wenigstens die letzen drei Strophen davon:

Es liefre seine Waffen aus
Ein Jeder in dem Gildenhaus;
Auch Munition von jeder Sorte
Wird deponiert am selben Orte.

Wer auf der Straße räsonniert,
Wird unverzüglich füsiliert;
Das Räsonnieren durch Gebärden
Soll gleichfalls hart bestrafet werden.

Vertrauet eurem Magistrat,
Der fromm und liebend schützt den Staat
Durch huldreich hochwohlweises Walten;
Euch ziemt es, stets das Maul zu halten.

Parallelen zur Waffenrechtsdebatte und der Selbstherrlichkeit der herrschenden Politiker- und Beamtenkaste im Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts sind selbstverständlich ganz rein zufällig und natürlich nicht beabsichtigt. Ganz bestimmt.

2 Kommentare

  1. Da hast Du ein altbekanntes Thema meines Blogs neu aufgearbeitet. Prima! Und der „Heine-Song“ ist top. Weiter so, denn uns allen ziemt es langsam aber sicher, dass es besser ist, das Maul möglichst weit aufzureissen!

  2. Der beste polizeiliche Ratschlag ist folgender:“Zeigen Sie Zivilcourage, aber spielen Sie nicht den Helden!“

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