Mehr oder weniger regelmäßig werden Stimmen laut, die eine zentrale Lagerung von privaten Sportwaffen und Munition in den Schützenhäusern fordern. Der, zumindest vordergründig, einleuchtende Gedankengang dahinter: Sind keine Waffen im Haus, kann man diese auch nicht für kriminelle Zwecke einsetzen.
Leider ist die Realität wesentlich komplexer, als die Theorie von gutmeinenden, aber fachlich völlig unbeleckten Zeitgenossen.
Selten eindeutig wird diese Frage bereits durch das geltende deutsche Waffengesetz geregelt. So wird im ersten Satz im ersten Absatz in § 36 WaffG klipp und klar festgelegt, wer für seine Waffen verantwortlich ist:
§ 36 Aufbewahrung von Waffen oder Munition
https://www.gesetze-im-internet.de/waffg_2002/__36.html
(1) Wer Waffen oder Munition besitzt, hat die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhanden kommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen.
Damit wäre eigentlich schon alles gesagt. Der Besitzer ist dafür verantwortlich, seine Waffen so aufzubewahren, dass keine unberechtigten Dritten darauf zugreifen können. Ein Waffenbesitzer kann schlichtweg nicht verhindern, dass sich Dritte an seinen Waffen zu schaffen machen, wenn diese viele Kilometer entfernt in irgend einer zentralen Verwahrstelle aufbewahrt werden, zu der mehrere Personen Zutritt haben müssen. Ein Waffenschrank in den eigenen vier Wänden und die Schlüsselgewalt darüber obliegt ausschließlich dem Berechtigten – das ist die sicherste Variante. Und so sieht das auch der Gesetzgeber.
Und viele weitere Gründe sprechen gegen eine zentrale Verwahrung auf Schießanlagen, die wegen der Lärmbelastung oft weitab von Wohnbebauung und noch weiter weg vom nächsten Polizeiposten irgendwo im Wald stehen:
- Eine Waffenansammlung in einem abgelegenen Schützenhaus ist ein äußerst lukratives Ziel für Kriminelle. Selbst aus einer aufwändig gesicherten Schatzkammer wie dem „Grünen Gewölbe“ in Dresden wurden unbezahlbar wertvolle Kunstschätze geraubt – trotz Sicherheitsdienst vor Ort und nur 500 Meter weg vom Polizeipräsidium
- Skrupellose Banden sprengen Bankautomaten und nehmen Tote, Verletzte und einstürzende Gebäude in Kauf, um an Geld zu kommen. Um an Schusswaffen zu kommen, werden sie genau so rücksichtslos vorgehen
- Selbst mit einer direkt zur Polizei weitergeschalteten Einbruchmeldeanlage würde es, zumal in ländlichen Regionen, sehr lange dauern, bis die mit erforderlicher Mannstärke anrücken könnte. Keiner Streifenwagenbesatzung wäre es zuzumuten, alleine ein Objekt anzufahren, um dort von einer Bande Berufsverbrecher empfangen zu werden, die spätestens nach erfolgreichem Einbruch bis an die Zähne bewaffnet sind
- Irgend jemand muss die Schlüsselgewalt über diese Waffenansammlung haben. Bei einem Verein mit 100 Mitgliedern wären dies hunderte Schusswaffen mit mehr Munition, als bei der Bundeswehr jemals verschwinden könnte. Diese Personen bzw. ihre Familien wären höchst gefährdet, ein Messer an der „richtigen“ Kehle und Verbrecherbanden können sich sogar aufschließen lassen
- Entgegen der klischeehaften Vorstellung vieler Nichtschützen verfügt nur ein Teil der Schützenvereine über eigene Schießstätten bzw. Immobilien. Viele Vereine sind nur Mieter bei anderen Vereinen oder auf kommerziellen Schießanlagen
- Zahlreiche aktive Schützen sind Mitglied in zwei oder mehr Vereinen/Verbänden und/oder nutzen unterschiedliche Schießanlagen für ihr Training und noch mehr für Wettkämpfe. Die Organisation eines Training auf Sportstätte B, wenn die Waffe im Schützenhaus A liegt, setzte voraus, dass bei A immer genau dann jemand die Waffen herausgeben kann, wenn diese benötigt werden. Bei einem Wettkampfbeginn um 9.00 Uhr und Anmeldung bis 8.30 Uhr auf einer 100 km entfernten Schießstätte C müsste der Wettkampfteilnehmer seine Waffen um spätestens 6.30 Uhr früh in der Verwahrstelle abholen. Der Ausgebende mit vielleicht 30 Minuten Anfahrtsweg wird sich freuen, wenn an seinem freien Samstag der Wecker um fünf Uhr klingelt. Von der desaströsen Umweltbilanz bei zig sinnlos verfahrenen Kilometern je Schütze ganz zu schweigen
- Die Buchführungsbürokratie wäre extrem aufwändig. Jede „Bewegung“ jeder Waffe muss penibel dokumentiert werden. Wer hat welche Waffe wann empfangen und wann wieder abgegeben. Ist eine Waffe aus „triftigem“ Grund „außer Haus“, wie z. B. für eine entfernte Wettkampfteilnahme oder wegen einer Reparatur beim Büchsenmacher? Wie viel Munition hat der jeweilige Schütze empfangen und verschossen? Wer haftet für verschwundene Waffen?
- Trockentraining ohne Schussabgabe bzw. Waffenpflege zu Hause können nicht durchgeführt werden. Mal schnell die Waffe putzen, weil man eine halbe Stunde Luft hat und es regnet, geht nicht. Selbst dafür müsste man unnötig Lebenszeit opfern und Autofahrten in Kauf nehmen. Schießsport wäre ein Hobby, das die komplette Freizeit ausfüllen müsste, zu Lasten der Familie
Weltfremde Grundannahme
Letztendlich liegt der sicher gut gemeinten „Zentralverwahrung“ aber eine völlig weltfremde und deshalb schon im Ansatz falsche Annahme zugrunde: Die Annahme, dass ein einzelnes Gesetz oder Verbot einen mit Vorsatz handelnden Straftäter von seiner geplanten Straftat abhalten könne, bei deren Begehung ohnehin allerlei Gesetze gebrochen werden. Genau so wenig, wie eine rote Fußgängerampel Menschen davon abhält, trotzdem die Straße zu überqueren, wird ein zum Morden bereiter Psychopath nicht ausgerechnet wegen eines Waffenrechtsverstoße Skrupel bekommen und von seiner geplanten Tat absehen.
Er wird eben einen Umweg fahren, sich unter einem Vorwand „Reparatur“ oder „Wettkampfteilnahme“ seine Waffe holen und dann zur Bluttat schreiten. Oder gleich in der Waffenkammer damit beginnen und anschließend die freie Auswahl aus hunderten Schusswaffen genießen, wo er sonst nur Zugriff auf seine eigene hätte.
Auch Beziehungstaten, bei denen es oft im Affekt zu Tötungsdelikten kommt, sind nicht auf das Tatmittel „legale Sportwaffe“ angewiesen. Die wenigsten solcher Taten dürften sich unmittelbar vor einem geöffneten Waffenschrank abspielen, in dem eine fertig geladene Schusswaffe bereitliegt. Wäre dieses Tatmittel ausschlaggebend, gäbe es kaum Beziehungstaten. Die Realität sieht anders aus. Bei mehreren hundert Fällen von vollendetem Mord oder Totschlag jedes Jahr, Dunkelziffer außen vor, ist die Fixierung auf ein einziges und deliktisch kaum relevantes Tatmittel schlichtweg wirklichkeitsferner, wohlfeiler Aktionismus.
Gut meinen und gut machen sind eben zwei Paar Schuhe. Und im Zusammenhang mit Schusswaffen kann „gut gemeint“, aber viel zu kurz gedacht, fatale Folgen haben.
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Karabinercafé: Zentrale Lagerung von Schusswaffen Teil I und Teil II
Beitragsbild von Reimund Bertrams auf Pixabay
Dieser Artikel erschien zuerst auf blaulichtblog.de