Kennen Sie Schildgen?
Nein? Ging mir bis eben auch so.
Dabei sollte jedes Kind auf der Welt Schildgen kennen. Immerhin muss ein Teil der dortigen Bürgerschaft über moralische Qualitäten verfügen, gegen die selbst Jesus Christus, Mutter Teresa, der Dalai Lama und Mahatma Gandhi wie ein Haufen Prügel-Rowdies wirken.
Shangri-La war gestern, der moralisch überlegene Übermensch von heute lebt scheinbar in Schildgen. Schildgener Bessermenschen und Wutbürger machen nämlich mobil gegen die Pläne der dort beheimateten Sankt-Sebastianus-Schützenbruderschaft, die gerne um- und anbauen möchte.
Kostprobe gefällig?
Ein Anwohner beleidigt die Grünröcke „als eine Handvoll schießfreudiger Menschen“, die „seine Nachtruhe stören wollen“. Andere bezeichnen die geplanten Schießstände als „unmoralisch“, weil sich „eine Minderheit über die Mehrheit der Bürger hinwegsetzt“.
Es geht aber auch noch „besser“:
Die Errichtung von Schießanlagen in unmittelbarer Nähe zur Kindertagesstätte „Herz Jesu“ und eines Wohnheims für Menschen mit Behinderungen wird als „Terror“ aufgefasst. „Diese Menschen können den Knall, der von Schusswaffen ausgeht, nicht einordnen. Sie schrecken zusammen, und ihre Reaktionen sind nicht abzuschätzen“, bestätigt Wohnheimleiter Markus Kölling.
Klingt ja fast, als wollten die Sankt Sebastianer mehr eine Versuchsanstalt für Schiffsartillerie errichten, als einen Schießstand für die Belange von Sportschützen. Dabei geht es, wie ein weiterer Artikel im Kölner Stadtanzeiger verrät, um ganz, ganz Schlimmes:
In der neuen Schießhalle soll das sportliche Schießen an sechs Plätzen mit Luftgewehren ganzjährige möglich sein.
Die Außenschießanlage wird beim dreitägigen Schützenfest sowie beim Ausschießen der Maikönigin gebraucht – beantragt sind zehn Tage im Jahr.
Na da hat man doch Verständnis für die 29 kleinstkarierten Schildgener Superspießer, die durch einen umbauten Druckluftwaffenschießstand in etwa die gleichen Lärmbelästigung erwarten, wie von einer gerade startenden Ariane-5-Rakete.
Und an fünf oder sechs Tagen auch noch den ohrenbetäubenden Krach auf Düsenjäger-Level von Schüssen aus Schwarzpulverbüchsen auf einen Holzadler auszhalten zu müssen – das geht nun wirklich nicht.
Sicherlich gehen diese 29 aufrechten Schildgener Vorbilder stets mit gutem Beispiel voran, mähen ihren Rasen mit der Nagelschere, verzichten auf laute Musik und Grillfeste und machen jeden Weg zu Fuß, um ja keine Dritten durch Motorengeräusche zu belästigen.
Denn so unmoralisch sind diese edlen Lichtgestalten doch nicht. Oder etwa doch?
So kann wirklich nur jemand schreiben, der sich nur sehr, sehr einseitig informiert.
Der Protest gegen diese Schießanlage hat wesentlich mehr, sehr vielseitige Gründe, über die der Schreiber dieses Beitrags sich offensichtlich überhaupt informiert hat.
Was ich mich jedoch ernstlich frage, ist, ob er die gleiche Meinung verträte, wenn das Bürgerzentrum unmittelbar auf der gegenüberliegenden Seite SEINES Wohnhauses liegen würde und er das Vereinsheim der Schützen, mit geplanter ständiger Vermietung der Halle an Hochzeitsgesellschaften, Geburtstagsfeiern u.ä. und zudem jetzt auch noch eines Außenschießstandes für Großkalibergewehre somit direkt vor der Haustüre hätte.
Ich hoffe sehr, dass wir die Politiker noch rechtzeitig zum Umdenken bewegen können, sollte dies nicht gelingen, würde ich den Beitragsschreiber sehr gerne zu einer Übernachtung am Tage einer solcher Veranstaltung in mein Haus einladen. Nach einer solchen durchwachten Nacht darf er dann auch zusätzlich noch gerne auf meiner Terrasse frühstücken, bei laufendem Schießbetrieb nebenan selbstverständlich.
Vielleicht informiert er sich dann demnächst einmal VORHER, bevor er die berechtigten Anliegen von ca. 1000 unmittelbar um den Schießstand herumwohnenden Anwohner über die gewünschte Freizeitaktivität von 29 aktiven Schützen stellt!
Unmittelbar um das Bürgerzentrum, also das Vereinsheim der Schützen und den Schießstand herum befinden sich ein Behinderteinheim, ein Kindergarten, ein Jugendzentrum und Einfamilienhausbebauung mit vielen kleinen Kindern.
Niemand, der nur ein ganz wenig gesunden Menschenverstand hat, kann ja wohl ernsthaft behaupten, dass ein solcher Standort mitten im Ort geeignet für einen Außenschießstand für Großkalibergewehre ist!
Sie selbst nehmen wohl nur an Feiern teil, die man zu Fuß erreichen kann, damit kein Verkehrsaufkommen verursacht wird, das Dritte belästigen könnte?
Es geht doch nur darum, selbst möglichst ruhig zu wohnen und Verkehr und Lärm anderen aufzudrücken. Haben Sie jemals an die Anwohner gedacht, wenn Sie irgendwo hin gefahren sind, um zu feiern? Natürlich nicht.
Verständlich und menschlich, aber deshalb empfinde ich dieses Gemache ziemlich heuchlerisch. Besonders, wenn Behinderte als Argument vorgeschoben werden.
Und bei diesem Außenschießstand, ich lasse mich da gerne eines Bessseren belehren, wird es sich nicht um eine Schießbahn handeln, sondern um einen Adlerschießstand, auf den an höchstens sechs Tagen im Jahr mit historischen Schwarzpulvergewehren geschossen wird.