Der Hessische Schützenverband bekennt sich schuldig!

Wie man sich als Sportverband komplett zum Löffel macht und sich ohne Not das Büßergewand anzieht, zeigt der Hessische Schützenverband. Ausgerechnet unter der Überschrift „Sportschützen nicht unter Generalverdacht stellen“ stellt man die eigenen Sportler unter Generalverdacht.

Schon die Einleitung lässt Zweifel daran aufkommen, ob dem Verfasser die Grundzüge des deutschen Waffenrechts bekannt sind, heißt es doch:

Im Polizeipräsidium Südosthessen in Offenbach hat Innenminister Roman Poseck am vergangenen Dienstag (25.06.2024) mit einer Auftaktveranstaltung das Schulungskonzept „Schützen im Dialog“ gestartet. Damit sollen Schützenverbände und Schützenvereine bei der Früherkennung von extremistischen Waffenträgern sensibilisiert werden. 

https://www.hessischer-schuetzenverband.de/news/news/detail/news/sportschuetzen-nicht-unter-generalverdacht-stellen-auftaktveranstaltung-zu-schuetzen-im-dialog (Hervorhebung durch den Verfasser)

Wenn das das Problem ist, dann gibt es kein Problem. Waffenträger gibt es nicht im deutschen Schießsport. Sportschützen erhalten die Erlaubnis zum Erwerb bzw. Besitz von bestimmten Waffen, nicht zum „Tragen“. Aber der eigentlich bedenkliche Teil kommt erst noch.

Mit dem Schulungskonzept „Schützen im Dialog“ sollen Schützenverbände bei der Früherkennung von extremistischen Waffenträgern sensibilisiert werden. Damit wird eine wesentliche Empfehlung des Untersuchungsausschusses zum Terroranschlag in Hanau umgesetzt. Denn dass sich in den Reihen der Schützensportler mitunter auch Personen befinden können, deren Einstellung im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht, zeigte sich in der Vergangenheit an erschütternden Taten wie dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke, dem rassistischen Anschlag von Hanau oder der Schussabgabe auf einen Asylbewerber in Wächtersbach im Jahr 2019. Es sind Fälle, in denen der jeweilige Täter aus einem mutmaßlich extremistischen Motiv heraus handelte und Mitglied in einem Schützenverein war. Extremistische Haltungen wie auch psychische Probleme, die mit einem Waffenbesitz keinesfalls einhergehen sollten, sind dabei nicht immer wahrnehmbar, weswegen es umso wichtiger ist, genau hinzuschauen.

Okay, super Plan. In Zukunft sollen also Vereinsmitglieder Gesinnungspolizei spielen und ihnen verdächtige Vereinsmitglieder an die Behörden melden, damit die dann waffenrechtliche Erlaubnisse widerrufen und die Waffen einziehen können. Hätte man dieses innovative Konzept nur ein paar Jahre früher verfolgt, dann könnte Dr. Walter Lübcke noch leben. So, ungefähr, scheint man sich beim HSV die Realität zurechtzubiegen. Blöd nur, dass der Täter mit einer illegal besessenen Schusswaffe tötete und den Behörden keineswegs unbekannt war. Selbst die WBK seines möglichen Helfers Markus H. hatte dieser sich vor Gericht erstritten, weil das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz ihm vorliegende Hinweise über die rechtsradikale Gesinnung von H. lieber für sich behielt, als ihr Wissen mit der Waffenbehörde zu teilen:

Nach jahrelangem Rechtsstreit genehmigte das Verwaltungsgericht Kassel Hartmann im März 2015 eine Waffenbesitzkarte mit Munitionsberechtigung. 2007 hatte Kassels Stadtverwaltung ihm die Karte verweigert, weil das Amtsgericht Kassel ihn 2006 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe verurteilt hatte. 2012 hatte die Stadtverwaltung Hartmanns erneuten Antrag auf eine Waffenbesitzkarte abgelehnt, weil er 2008 an einer NPD-Demonstration teilgenommen hatte, 2009 wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch festgenommen worden war und sich unter dem Pseudonym „Stadtreiniger“ in rechtsextremen Foren geäußert hatte. Das LfV lieferte der Stadtverwaltung jedoch keine Informationen über Hartmanns rechtsextreme Aktivitäten seit 2009, etwa über seine aktive Mitgliedschaft in der Neonazigruppe „Freier Widerstand Kassel“. Weil die vom LfV vorgelegten Informationen älter als fünf Jahre waren, begründeten sie nach dem Waffengesetz kein Waffenverbot mehr. Darum hatte Hartmanns Klage gegen die Stadtverwaltung Erfolg. Seitdem besaß er legal drei Kurzwaffen und zwei Langwaffen.[84]

Das LfV Hessen meldete dem Gericht neuere Einträge über rechtsextreme Aktivitäten von Hartmann nicht weiter. So hatte ein V-Mann 2010 erwähnt, dass er an einem Neonazi-Aufmarsch teilnehmen wollte. 2011 hatte das LfV notiert, dass er in einem rechtsextremen YouTube-Kanal antisemitische Videos verbreitete. Im Juni 2020 erklärte der Präsident des LfV Hessen Robert Schäfer, das LfV habe den Eintrag von 2010 nicht als „offene und gerichtsverwertbare“ Information eingestuft und darum nicht weitergegeben. Warum der Eintrag von 2011 nicht weitergegeben wurde, konnte er nicht erklären. Er räumte ein, dass diese Weitergabe Hartmanns Waffenkäufe eventuell verhindert hätte.[85]

Im Oktober 2015 besuchte Hartmann mit Ernst Lübckes Auftritt in Lohfelden, filmte diesen mit seinem Handy und verbreitete jenen isolierten Satz auf YouTube, der Lübcke zum Feindbild im rechten Milieu machte.[14] Das LfV führte Hartmann damals als Anhänger der rechtsextremen Gruppe „Freier Widerstand Kassel“ und wie Ernst als gewaltbereit.[86]

https://de.wikipedia.org/wiki/Mordfall_Walter_L%C3%BCbcke (Hervorhebungen durch den Verfasser)

Im Fall Dr. Walter Lübcke wähnt sich der Hessische Schützenverband sich bzw. seine Mitglieder also zumindest irgendwie mitschuldig an der Tat eines vorbestraften Rechtextremisten, die unter Verwendung einer illegal besessenen Schusswaffe verübt wurde.
Damit nicht genug, legt man auch noch den Mehrfachmord von „Hanau“ obendrauf. Bei dem der Täter noch über legale Schusswaffen verfügte, obwohl er mehrfach auffällig und der Polizei bekannt war, mit Drogen erwischt wurde, trotz einer bekannten paranoiden Schizophrenie, trotz einer völlig wirren, beim Generalbundesanwalt gestellten Strafanzeige. Aber einen Hinweis aus dem Verein hätte man natürlich super ernst genommen und priorisiert bearbeitet, nur alle anderen nicht?

Zu diesen eklatanten Fällen von Behördenversagen nicht nur in Hessen verliert die Präsidentin des Hessischen Schützenverbands natürlich keine einzige Silbe. Stattdessen Buckeln mittels wohlfeiler Phrasen vor dem Minister. Gerade so, als ob aktive Schießsportler das Problem wären und nicht Gestalten, die nur wegen des speziellen deutschen Bedürfnisprinzips nur zur Waffenbeschaffung Schützenvereinen beitreten.

Die Präsidentin des Hessischen Schützenverbandes, Tanja Frank, betonte in ihren Ausführungen die besondere gesellschaftliche Rolle des Schützenwesens: „Als Sportschützen sind wir uns unserer besonderen Verantwortung bewusst: Wir treten aktiv gegen Rassismus, Extremismus und Vorurteile jeglicher Art ein. Mit der nun anlaufenden Sensibilisierungsreihe ‚Schützen im Dialog‘ wollen wir unsere Vereinslandschaft noch breiter aufstellen und informieren. Sie basiert auf dem engen und vertrauensvollen Verhältnis, das wir seit über vier Jahren mit dem Hessischen Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus pflegen. Gemeinsam mit der Sportjugend Hessen im Projekt ‚DemoS!‘ stärken wir die Demokratie und Vielfalt in unseren Schützenvereinen und verankern eine ‚Kultur der Achtsamkeit‘.“

Was Frau Frank stattdessen hätte sagen sollen:

Als Sportschützen stehen wir voll auf dem Boden unseres Grundgesetzes und verteidigen die verfassungsmäßigen Grundrechte unserer Mitglieder. Wir verwehren uns entschieden dagegen, sogar für Straftaten unter Verwendung von illegal besessenen Tatwaffen als Sündenbock herhalten zu müssen. Wir verwehren uns entschieden dagegen, uns die Schuld für massives Behördenversagen in die Schuhe schieben zu wollen.

Wir fordern die Politik auf, endlich das Waffengesetz von ideologischen Ballast und sinnloser Überregulierung zu befreien, damit sich die Behörden in Zukunft endlich um Extremisten kümmern können, anstatt ihre Zeit mit immer mehr unnützer Bürokratie zu verplempern. Bürokratie, die nach den Plänen der Innenminister sogar noch weiter aufgebläht werden soll. Seit Jahrzehnten delegiert die Politik die Verantwortung für den seltenen Missbrauch von legal besessenen Schusswaffen auf die Jäger und Sportschützen. Wir fordern die Politik deshalb auf, im Waffenrecht nach dem Vorbild anderer europäischer Länder einen weiteren Bedürfnisgrund neben „Sport“ und „Jagd“ zu etablieren, auch wenn uns das als Verband Mitglieder, Einnahmen und Einfluss kostet. Damit wird man endlich den Bürgern gerecht, die ohne sportliche oder jagdliche Ambitionen legal Waffen und Munition besitzen möchten und steht als Staat dann für diese Gruppe selbst in der Verantwortung. Nicht mehr wir als Sportschützen oder die Jägerschaft.

Demokratie und Vielfalt stärkt man nicht durch Misstrauen und fortwährende Gängelung der ohnehin Rechtstreuen. Machen Sie sich endlich ehrlich, erkennen Sie die Realität an, hören Sie auf, die Bürger durch sinnlosen Waffenrechts-Aktionismus zu Lasten der Ehrlichen für dumm zu verkaufen, der Kriminelle, Extremisten und Terroristen völlig unbehelligt lässt
.“

Natürlich wird diese Rede nie gehalten, die Masse der deutschen Schießsportverbände glänzt lieber im Schein ihrer eigenen Selbstherrlichkeit und lobbyiert für die Sicherung der eigenen Pfründe, aber nicht für die Interessen ihrer Mitglieder an der Basis.