Das Geschäft mit dem Geschäft mit der Angst

Es ist schon irgendwie Ironie auf Boss-Level, wenn ausgerechnet ein Sendeformat wie „Spiegel TV“ in einem Beitrag einem Dritten vorwirft, „Das Geschäft mit der Angst“ zu betreiben. Gerade so, als ob „Spiegel TV“ und Co. nicht einen reißerischen Bericht nach dem anderen senden, in dem es um vermeintliche Gefahren geht, denen der Bürger angeblich ausgesetzt sei.

Genau das macht „Spiegel TV“ in dem Fernsehbeitrag „Das Geschäft mit der Angst: Warum sich deutsche Kunden mit Armbrüsten eindecken„. Es geht in diesem Beitrag um Jörg Sprave, der mit seiner Firma „Gogun“ sehr erfolgreich freie Waffen vermarktet und nebenbei mit dem „@Slingshot Channel“ einen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus äußerst populären Youtube-Kanal mit knapp drei Millionen Abonnenten betreibt.

Wie viel Neid und Missgunst gegenüber einem erfolgreichen Unternehmer da mitschwingen, lässt sich nur vermuten. Allerdings gehört die Anerkennung für Erfolg in Form von gut funktionierende und für den Unternehmer auch noch profitablen Geschäftsideen nicht zu den Generaltugenden der Deutschen. Weder im Allgemeinen und schon gar nicht von eher links zu verorteten TV-Sendern. Wenn dann der Geschäftsgegenstand auch noch irgend etwas mit „Waffen“ zu tun hat und das auch noch vollkommen im Einklang mit geltenden Recht, dann schon gar nicht.

Als moralische Erhabenheit getarnte Missgunst schwingt jedenfalls schon beim Einleitungstext rüber, mit dem Spiegel TV seine Produktion auf Facebook bewirbt:

Mit Angst lässt sich viel Geld verdienen. Das ist nicht neu. Aber wenn die unbegründete Panik vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen dazu führt, dass sich Menschen mit gemeingefährlichen Armbrüsten eindecken, dann ist das irrsinnig.

Quelle: https://www.facebook.com/SPIEGEL.TV/videos/726441452480886/

Dieser Spruch wenige Wochen, nachdem in Berlin der Staat außer Stande war, einem mit Böllern und Platzpatronenwaffen bewaffneten Mob in einem begrenzten Areal Einhalt zu gebieten und Recht und Ordnung durchzusetzen. Unter diesen Silvester-Eindrücken erscheint die Angst vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Zusammenhang mit einem Blackout-Szenario alles andere als „Panik“ oder „irrational“. Jörg Sprave begründet das auch entsprechend in einem Ausschnitt aus einem früheren Video, anmoderiert durch „Spiegel TV“ mit „Auf seinem Youtube-Kanal sorgte die Angst im Winter für jede Menge Klicks. Erst Recht, wenn das Panikorchester die alte Leier spielt„:

Wenn bei uns tagelang der Strom wegbleibt. Es keine Wärme gibt, es kein Licht gibt. Wenn es kein Essen mehr gibt. Wenn man keine Bankautomaten mehr hat, mit dem man bezahlen kann, keine Online-Zahlungssysteme. Wenn es keine Kühlung mehr gibt für Essen. Dann bricht in Deutschland nach wenigen Tagen ein Bürgerkrieg aus. Wir werden dann Plünderungen haben. Es ist völlig klar, das haben die Experten alle so gesagt, wir werden Aufstände haben in Deutschland.

Jörg Sprave, https://www.facebook.com/SPIEGEL.TV/videos/726441452480886 @1:32

Wohl gemerkt, es geht darum, was passieren wird, wenn über einen längeren Zeitraum und flächendeckend der Strom ausfällt. Nicht ein paar Stunden in einer Stadt oder einer Region, die dann aus dem restlichen Land unterstützt werden kann. Es geht um tage- oder wochenlangen Stromausfall in Deutschland und den angrenzenden Ländern. Auch wenn dieses Szenario unwahrscheinlich ist, so sollte man sich angesichts der dilettantischen deutschen „Energiewende“ und der zunehmenden Abhängigkeit von witterungs- bzw. tageszeitabhängigen Energieträgern darauf vorbereiten. Nicht erst dann, wenn das unwahrscheinliche Szenario doch eintritt und die Lichter ausgehen.

Die Aussage von Jörg Sprave wollte oder konnte Spiegel TV natürlich nicht unkommentiert im Raum stehen lassen, schließlich sei dies „ein Szenario, das weder Regierung, noch Sicherheitsbehörden für möglich halten„. Über die Qualität der Aussagen von „Regierung“ und „Sicherheitsbehörden“ (aka Bundesministerium des Innern) wird sich an dieser Stelle lieber nicht ausgelassen, nur so viel: lol…

„Experte“ as usual

Aber lassen wir den von „Spiegel TV“ auserkorenen „Experten“ zu Wort kommen. Kein Experte zum Thema Krisenvorsorge, Aufstandsbekämpfung, Energieverteilnetze, Kraftwerkstechnik oder irgend etwas anderes mit Relevanz zum Thema.

Nein, wie so gerne im Kontext mit „irgendwas mit Waffen“ wird ein Polizeigewerkschaftsfunktionär als „Experte“ dem Fernsehpublikum präsentiert. Dieses Mal Dirk Peglow vom „Bund Deutscher Kriminalbeamter“. Dessen besondere Expertise: 30 Jahre unfallfreie Polizei-/Gewerkschaftslaufbahn. So hört sich das dann auch an:

Ich halte es für ausgeschlossen, dass die Polizei nicht mehr funktionieren oder einen Blackout hat. Also die Polizei wird in dieser Situation da sein, sie wird sogar verstärkt da sein, weil wir dann eben auch mehr Kolleginnen und Kollegen in den Dienst bringen müssen. Sie werden länger im Dienst sein. Darauf ist die Polizei vorbereitet.

Dirk Peglow, https://www.facebook.com/SPIEGEL.TV/videos/726441452480886/ @2:07

Eine gewagte These. Bundes- und Landespolizeien verfügten per 18. September 2020 über zusammen über rechnerisch 333.600 Vollzeitstellen. Dem steht eine Bevölkerung von damals 83.166.000 Einwohnern gegenüber. Aktuell sind es über 84 Millionen. Das heißt, das auf einen Vollzeit-Polizisten knapp 250 Einwohner kommen. Rein theoretisch, wenn alle Polizisten im Dienst wären. Kein Krankenstand, kein Urlaub. Selbst wenn alle Polizisten im Worst-Case-Szenario „Blackout“ zum Dienst verfügbar wären, geht das nur in einem Schichtsystem, schließlich ist ein Polizist auch nur ein Mensch und braucht Erholungsphasen und Schlaf. Effektiv verfügbar wären im günstigsten Fall die Hälfte bis zwei Drittel der Beamten, was einem Verhältnis von 1 zu 375 bis 1 zu 500 zur Bevölkerungszahl entspricht. Werden Kräfte an den sich zuerst entwickelten Hotspots verstärkt, fehlen diese an anderer Stelle, wo mögliche Unruhen ein etwas längere Zündschnur haben.

Vermutlich wird es in den bzgl. Polizeipräsenz ohnehin unterversorgten ländlichen Gebieten länger ruhig bleiben. Wenn sich aber in dicht besiedelten urbanen Gebieten Tausende auf die Suche nach Nahrung, Trinkwasser, Kraftstoff, Brennstoff, Medizin machen, wird das in genau den beschriebenen Plünderungen und Aufständen enden. Schlimmstenfalls tatsächlich in Bürgerkrieg zwischen denen, die über begehrte Ressourcen verfügen und denen, die an diese Ressourcen heranwollen. Letztendlich wird es darum gehen, entweder sich die Ressourcen Dritter durch Gewalt zu holen oder seine eigenen Ressourcen erfolgreich gegen solche gewalttätigen Versuche zu verteidigen. Fest steht nur, die Polizei wird, wenn überhaupt, in den wenigsten Fällen rechtzeitig vor Ort sein, um Recht und Gesetz durchzusetzen.

Fall der Fälle: Besser man hat, als man hätte

Screenshot: https://gogun.de/1000790

Genau für diesen Fall bestellen Kunden bei Jörg Sprave Armbruste, die über eine relativ hohe Schussfolge verfügen und auch mit richtig „bösen“ Jagdpfeilen bestückt werden können. Er verharmlost die Dinger nicht etwa, sondern war extra bei Edeka, um ein ordentliches Stück Schweinebauch als Demonstrationsobjekt für die im wahrsten Sinne des Wortes durchschlagene Wirkung der Pfeile zu besorgen. Für „Spiegel TV“ stellt sich natürlich nicht die Frage, welche Selbstverteidigungsmittel diese Armbrust-Kunden beschaffen würden, wenn es nicht eine freie und legale Alternative zu einer illegalen Kurzwaffe gäbe. Die „Adder“ aus dem Video kostet immerhin schlappe 379 Euro aufwärts und liegt damit in einem Preisbereich, für den sich die Adder-Käufer auch eine Makarow mit reichlich Munition illegal beschaffen könnten. Gogun-Chef Sprave erklärt den „Spiegel TV“-Reportern auch noch „Notwehr“, die damit ihren „Experten“ Peglow konfrontieren. Die „Skandalbilder“ vom Schweinbauch/Gelatineblock-Beschuss bzw. der Sprave-Ausführungen zur Notwehr kommentiert er wie folgt:

Das ist der Wilde Westen im Grunde genommen, den wir dann erwarten, das wir im Prinzip dann Zustände haben, dass Menschen Konfliktlösungen immer mehr versuchen zu lösen indem sie oder Konflikte immer mehr versuchen zu lösen, indem sie Waffen einsetzen. Das ist doch eine Situation, die wir nicht haben wollen.

Dirk Peglow, https://www.facebook.com/SPIEGEL.TV/videos/726441452480886 @4:24

Eine sehr interessante Auffassung, die hier ein Polizist mit 30 Jahren Berufserfahrung zum Thema „Notwehr“ zum Besten gibt. Wild-West-Verhältnisse, weil rechtstreue Bürger im Notfall gegen gewalttätige Verbrecher nicht vollkommen wehrlos sein möchten. Weil sich diese Bürger eine halbwegs effiziente Schutzwaffe zulegen, die trotz ihrer Kompaktheit kaum geeignet ist zum verdeckten Führen und deshalb auch nicht als Waffe für unvermittelte Angriffe, sondern zur Verteidigung taugt.

Kleine Auffrischung zum Thema „Notwehr„:

Strafgesetzbuch (StGB)
§ 32 Notwehr
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Das Ganze folgt dem Rechtsgrundsatz „Recht braucht Unrecht nicht zu weichen„.

Polizisten wie Herr Peglow führen Waffen. Waffen scheinen also durchaus ein probates Mittel zu sein, um Konflikte zu lösen. Meistens reicht schon die Präsenz eines bewaffneten Polizisten, um Konflikte zu lösen oder wenigstens nicht eskalieren zu lassen.

Es gibt aber nicht genug Polizisten für jeden Bürger, so dass diese Bürger sich auf ihren persönlichen Schutzmann verlassen könnten und gar nicht an ein Selbstverteidigungsmittel denken müssten. Schon fernab von jeder Blackout-Situation kommen die viel zu wenigen Polizisten in vielen Fällen nicht rechtzeitig, um eine Verbrechen zu verhindern. Sondern um das Verbrechen zu dokumentieren, im schlimmsten Fall um Kreidestriche ums Opfer zu ziehen und verstörte Zeugen zu vernehmen.

Träfe eine Blackout tatsächlich ein und würde eine längeren Zeitraum anhalten, dann wird es nicht ausgerechnet der Polizeiapparat sein, der noch funktioniert. Und selbst wenn: Spätestens, wenn das Mobilfunksystem zusammengebrochen ist, wäre eine Alarmierung gar nicht mehr möglich. Käme doch ein Notruf durch, wäre auf Grund ausgefallener Verkehrsleitsysteme und dadurch heillos verstopfter Straßen und Kreuzungen jede Chance auf schnelle Hilfeleistung vereitelt.

Fazit

Das Geschäft mit der Angst ist genau das, was auch „Spiegel TV“ und andere Medien betreiben. Weshalb kaufen denn die Leute Armbruste? Doch nicht, weil ein Armbrusthändler Ängste schürt, sondern weil die Leute Zeitungen und Zeitschriften lesen und Fernsehen gucken. Weil die von Typen berichten, die in Regionalbahnen Mitreisende massakrieren, vor der Augen der Polizei Reisebusse anzünden oder Rettungsdienste attackieren. Die jeden rechtsfreien Raum für sich nutzen und für sich das Recht des Stärkeren geltend machen werden.

In Österreich, Tschechien oder der Schweiz kaufen die Bürger eine Schusswaffe, um sich zu schützen. Völlig legal und ohne negative Auswirkungen auf die Innere Sicherheit, sonst wären dort die Tötungsraten nicht regelmäßig niedriger als in Deutschland. Darf man aber hierzulande nicht, weil die Regierung seit Jahrzehnten eine völlige irrationale Angst vor Schusswaffen in Händen rechtstreuer Bürger hat und jeden noch so seltenen Vorfall nutzt, um den legalen Waffenbesitz weiter einzuschränken. Sogar lange zurückliegende Fälle aus dem Ausland.

Das wäre mal eine Reportage wert, aber lieber arbeitet man sich an einem 100% im Rahmen des geltenden Rechts sich bewegenden Händler ab. „Spiegel TV“ und Co. könnten sich genau so in die Niederungen der Waffengesetzgebung begeben und die Entwurfsverfasser des aktuellen Referentenentwurfs zum Waffenrecht fragen, was daran noch „geeignet“. „erforderlich“ bzw. „verhältnismäßig“ ist, so wie in einem demokratischen Rechtsstaat eigentlich Gesetze erlassen werden. Bevor das passiert, wird eher die Hölle zufrieren.

Hierzulande skandalisieren die Medien lieber, wenn Bürger die wenigen verbliebenen Spielräume in rechtsstaatlich äußerst bedenklichen Gesetze nutzen, als diese Gesetze in Frage zu stellen. Und das sollte eigentlich der Job der Medien sein. Kontrolle der Regierung als Vierte Gewalt, nicht Kontrolle der Bürger als Hilfssheriff der Regierung.

Übrigens:
In den wenigen Tagen nach der Ausstrahlung sind die Verkaufszahlen der „Adder“ nach Auskunft von Jörg Sprave nochmals durch die Decke gegangen. Skandalisieren und moralisieren wirkt. Nur manchmal anders, als gedacht.

Beitragsbild: Screenshot https://www.facebook.com/SPIEGEL.TV/videos/726441452480886

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