Phantom-Problem: Der „Kleine Waffenschein“

Wer mehr oder weniger aufmerksam täglich die Nachrichten verfolgt, dem ist sicher in den letzten Tagen oder Wochen der eine oder andere Artikel in Erinnerung, in dem es um die steigende Anzahl von sog. „Kleinen Waffenscheinen“ (KWS) ging.

Die „Welt“ meldete z. B. am 13. März:

In Deutschland beantragen immer mehr Menschen einen kleinen Waffenschein. Damit dürfen Schreckschusspistolen und Signalwaffen getragen werden. Die Gewerkschaft der Polizei ist beunruhigt.

Die Zahl der kleinen Waffenscheine ist in Deutschland einem Bericht zufolge erneut gestiegen. Im vergangenen Jahr sei im Vergleich zu 2019 eine Zunahme um rund 40.000 beziehungsweise sechs Prozent auf gut 704.000 verzeichnet worden, (…)

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte gegenüber der Zeitung, dass Schreckschusswaffen äußerlich kaum von echten Schusswaffen zu unterscheiden seien. Polizisten müssten davon ausgehen, dass es sich um eine echte Schusswaffe handele, sagte der stellvertretende Vorsitzende der GdP, Dietmar Schilff, der Zeitung.

So oder so ähnlich lesen sich fast alle Meldungen. Und das nicht nur im Jahr 2021. Fast wortgleich findet man derartige Artikel auch aus den Vorjahren, wie diese kleine Auswahl zeigt:

2020, BR: „Polizei warnt: Mehr Deutsche beantragen ‚kleinen Waffenschein‘

2019, Zeit Online: „Zahl der Kleinen Waffenscheine deutlich gestiegen“

2018, Tagesschau: „Immer mehr Deutsche bewaffnen sich

2017, FNP: „Die Bürger rüsten auf: Immer mehr beantragen Kleinen Waffenschein

2016, Stuttgarter Nachrichten: „Mehr Bürger wollen sich bewaffnen

Jede Wette, in zwölf Monaten werden sich weitere Artikel mit diesem Thema befassen. Wieder wird die Anzahl dieser „KWS“ steigen, wieder werden sich vor allem Grüne und, verdächtig oft in deren Schlepptau,  GdP-Funktionäre „besorgt“ zeigen.

Dabei müsste man sich eher besorgt über die diesbezügliche Kompetenz dieser Grünen und GdP-Funktionäre zeigen.

Zunächst ist es bei einer waffenrechtlichen Erlaubnis, die unbefristet erteilt wird, ganz normal, dass deren Gesamtzahl durch das Kumulieren zwangsläufig Jahr für Jahr steigt. Die wenigsten Erlaubnisinhaber werden ihren KWS nach einem oder zwei Jahr zurückgeben, um dann bei einer erneuten Beantragung  abermals die Staatskasse mit 50 – 100 Euro zu bereichern.

Auch ist es ein Trugschluss, aus der steigenden Anzahl KWS eine zunehmende Bewaffnung herzuleiten:

Der Kleine Waffenschein ist eine Erlaubnis, die es dem Inhaber erlaubt, eine „Schreckschusspistole“ im öffentlichen Verkehrsraum zu führen, also dem zugriffsbereiten Tragen solcher Waffen. Vor 2003 war dies ohne jegliche kostenpflichtige Erlaubnis möglich.

Nach wie vor erlaubnisfrei ist der Erwerb von diesen SRS-Waffen durch Personen ab vollendetem 18. Lebensjahr. Weder muss der KWS damit einhergehen, dass eine SRS-Waffe neu erworben wird, noch muss vor dem Erwerb einer SRS-Waffe ein Kleiner Waffenschein beantragt werden.

Erwerb und Besitz haben rein gar nichts mit dem KWS zu tun. Besorgte „Innenexperten“ sollten davon zumindest schon einmal gehört haben.

Grüne, unterstützt von GdP-Funktionären, hysterisieren demnach ernsthaft aus dem vollkommen rechtskonformen Verhalten gesetzestreuer Bürger ein Bedrohungsszenario herbei. Aber erst, seit ein mündiger Bürger für das Führen einer Platzpatronenwaffe auch eine Erlaubnis braucht. Vorher, als diese kostenpflichtige Erlaubnis nicht erforderlich war und man keine entsprechende Zahlen abfragen und hinterher zur pseudoinvestigativen Pressemitteilung aufblasen konnte, war das scheinbar auch kein Problem.

Nach nunmehr sechs Jahren „Besorgtsein“ in Folge sollte man  doch an Hand der Polizeilichen Kriminalstatistiken ganz einfach nachweisen können, dass es tatsächlich einen massiven Missbrauch von SRS-Waffen durch KWS-Inhaber gibt und die Sorgen berechtigt waren.

Aber weit gefehlt. Bei diesem „Besorgtsein“ handelt es sich tatsächlich eher um eine unfreiheitliche und den mündigen, verantwortungsbewussten Bürger argwöhnisch beäugende Anti-Waffenbesitz-Ideologie. Dazu muss man nur lesen, wie, oftmals im gleichen Artikel, einerseits vor den Gefahren von mit Knallpistolen bewaffneten Bürgern gewarnt und gleichzeitig die Jahr für Jahr sinkende Kriminalitätsrate als Argument eben gegen diese Bewaffnung ins Feld geführt wird. So berichtet das ZDF:

Ein Blick in die Statistiken zeigt: Das Leben in Deutschland ist in den vergangenen Jahren immer sicherer geworden. Dennoch ist die Zahl der Menschen, die einen Kleinen Waffenschein besitzen, drastisch gestiegen. In den vorigen zwölf Monaten stieg die Zahl um rund 44.000 auf 686.000, (…)  2014 waren es noch 260.000 gewesen.
(…)
Die Polizeigewerkschaft GdP bezeichnet den Trend als „äußerst beunruhigend“, da private Waffen eher zu mehr Unsicherheit als zu mehr Sicherheit führen würden.

Man ist also Jahr für Jahr besorgt bis „äußerst beunruhigt“ und gleichzeitig wird Deutschland Jahr für Jahr immer sicherer. Mehr als zweieinhalb mal so viele Kleine Waffenscheine wie 2014 und dennoch – oder vielleicht genau deshalb? – ist  „das Leben in Deutschland immer sicherer geworden“.

Nanu, mehr KWS, weniger Kriminialität. Wo, zum Kuckuck, liegt dann eigentlich genau das Problem?!?

Warum scheinen Grünen und GdP sich ausgerechnet um  die Bürger und deren „Waffen“ zu sorgen, die sich an Recht und Gesetz halten? Die aufs Amt gehen, Formulare ausfüllen, eine Prüfung hinsichtlich persönlicher Eignung, Zuverlässigkeit, neuerdings gar ihrer Verfassungstreue über sich ergehen lassen und brav den fälligen Kostenbescheid begleichen? Warum zeigt man sich nicht vielmehr besorgt über Kriminelle mit illegalen, echten Schusswaffen?

Weil es eine Ersatzhandlung für die aus Gründen der political correctness bewusst vermiedenen Auseinandersetzung mit  kriminellen (Clan-)Strukturen ist. Man tut so, als wolle man den Sumpf trockenlegen. Aber aus Angst vor Matsch, nassen Füßen und Stechmücken erklärt man einfach ein Stückchen Wüste zum Sumpf, an dem man sich öffentlichkeitswirksam abarbeitet.

So wird das Phantom-Problem „Kleiner Waffenschein“ auch noch die nächsten Jahre Zeitungsspalten und Sendezeit füllen und besorgte Zeitungsleser und Nachrichtenkonsumenten dazu animieren, sich weiterhin vor den völlig falschen Risiken zu fürchten.