Äußerst großzügig gibt sich Hardy Schober in einem Interview der „Stuttgarter Zeitung“ gegenüber knapp zwei Millionen Schießsport treibenden Bürgern in Deutschland:
Winnenden Der Vorsitzende des Aktionsbündnisses Amoklauf, Hardy Schober, ist nicht grundsätzlich gegen Schützensport – wenn mit Druckluft- oder Lasertechnik geschossen wird.
Na, das ist doch super! Wahrscheinlich hat Herr Schober auch nichts gegen das Golf- oder Tennisspiel, so lange es in der Minigolf- oder Tischtennisvariante betrieben wird. Und wozu schneebedeckte Berge mit Skiern an den Füßen hinabwedeln, wenn das so ähnlich auch auf Loipen mit etwas anderen Skiern geht? Ist doch fast das Gleiche.
Und ob man nun mit einer 1.500-Euro-Hightech-Luftpistole innerhalb eines Gebäudes auf zehn Meter entfernte Papierscheiben schießt oder bei Wind und Wetter mit einem klapprigen 150-Euro-Ordonanzprügel auf 300 Meter zu treffen versucht – Experten wie Hardy Schober erkennen da bestenfalls marginale Unterschiede.
Wasser auf die Mühlen des Herrn Schober, und damit kommen wir zur Überschrift, ist indes eine angeblich Aussage des Weltklasseschützen Ralf Schumann, auch wenn die Reporterfrage
Herr Schober, der Backnanger Büchsenmacher Ralf Merkle hat Journalisten aus ganz Deutschland auf eine Schießbahn geladen, um unter anderem für die „Faszination Großkaliberschießsport“ zu werben. Was halten Sie davon?
ignoriert wurde und statt dessen ein Textbaustein, der schon hier Verwendung fand, als „Antwort“ herhalten musste:
Der dreimalige Olympiasieger Ralf Schumann, der im Jahr 2007 vom Internationalen Schießsportverband als „Jahrhundert-Schütze“ ausgezeichnet wurde, hat am 27. April 2012 in einem Interview mit der „Thüringer Allgemeinen Zeitung“ erklärt, er glaube an ein Ende des Sportschießens mit scharfen Waffen. Schumann geht davon aus, dass die Schützenverbände früher oder später dem Vorbild des Fünfkampf-Weltverbandes UIPM folgen werden, dieser setzt seit 2010 nur noch Waffen mit ungefährlichem Lasersystem ein. Schumann, Zitat: „Ich brauche kein Bumm beim Schießen, mir geht es vor allem um das Zielen, alles andere ist eher unbedeutend.“
Auf den ersten Blick löst die Aussage „„Ich brauche kein Bumm beim Schießen, mir geht es vor allem um das Zielen, alles andere ist eher unbedeutend.“ bei Sportschützen ein verständnisloses Kopfschütteln aus.
Doch wenn es Ralf Schumann tatsächlich ums Zielen gehen würde, dann hat er seit Jahrzehnten die falsche Schießsportdisziplin betrieben:
„Schützen-Schumis“ Sportart ist immerhin die „Olympische Schnellfeuerpistole„.
Bei der Olympischen Schnellfeuerpistole beschießt jeder Schütze fünf nebeneinanderstehende Scheiben nacheinander. Durch die kurzen Zeitserien wird eine gewisse Dynamik in die Disziplin gebracht. Der Wettkampf besteht aus zwei Halbprogrammen zu je 30 Schuss. Diese setzen sich zusammen aus zwei Serien á fünf Schuss in je acht, sechs und vier Sekunden. Nach dem Kommando „Start“ dauert es drei Sekunden bis die Scheiben sichtbar werden, dann darf der Schütze seine fünf Schuss abgeben. Das Abzugsgewicht beträgt mittlerweile auch 1000 Gramm.
Einer, dem es angeblich ums Zielen geht, betreibt also ausgerechnet eine Schießsportvariante, für die er zur Abgabe von fünf (!) Schüssen gerade mal zwischen vier (!!!) und acht (!) Sekunden Zeit hat? Wohlgemerkt, inklusive dem Zielvorgang!
Zum Vergleich: Bei der KK-Sportpistole hat man beim Präzisionsteil für fünf Schuss fünf Minuten Zeit und im Duellteil immerhin drei Sekunden pro Schuss. Ewigkeiten im Vergleich zu den 0,8 bis maximal 1,6 Sekunden der von Herrn Schumann so erfolgreich betriebenen Disziplin.
Entweder verfügt Ralf Schumann im Vergleich zu seinen Mitmenschen über eine extrem verlangsamte Wahrnehmung der Zeit, in der er sein angebliches „Zielvergnügen“ ausgiebig ausleben kann oder er hat schlicht und einfach mit seinem Statement alle nach Strich und Faden verascht, sowohl „Antis“ als auch die „Fachwelt“.
„Schnellfeuer“ und „vor allem ums Zielen“ erscheinen mir jedenfalls genau so „passend“ wie wenn für eine Teilnahme an einem „Hot-Dog-Wettfressen“ der „kulinarische Genuss und Gaumenfreuden“ als Begründung herhalten müsste.
Uns bleibt nur zu hoffen, dass sich Ralf Schumann irgendwann vielleicht selbst dazu äußert und mögliche Misserständnisse ausräumt.
Sollte er es tatsächlich ernst gemeint haben, werden zumindest seine Sponsoren sicherlich mitteilen, was sie davon halten.
Artikel-Link: „Stuttgarter Zeitung“
Nachtrag 25.05.2012:
Von wegen „brauche kein Bumm“:
Schumann-Interview: „Sportschießen lebt vom perfekten Zusammenspiel von Sportgerät, Munition und Athlet“
[…] Ralf Schumann – Schützenverräter oder unverstandener Zyniker? […]