Analyse einer Analyse

Als halbgebildetes Landei aus der Provinz habe ich es nicht so mit Fremdwörtern. „Analyse“ gehört aber zu meinem Wortschatz. Wenn ich „Analyse“ lese, denke ich an Menschen mit entsprechender Qualifikation, die in ihrem jeweiligen Fachgebiet den Dingen auf den Grund geben. So ganz grob in die Richtung, jedenfalls.

Aber wozu gibts es Wikipedia? Dort definiert man „Analyse“ wie folgt:

Eine Analyse ist eine systematische Untersuchung, bei der das untersuchte Objekt oder Subjekt in seine Bestandteile zerlegt wird und diese anschließend geordnet, untersucht und ausgewertet werden. Dabei dürfen die Vernetzung der einzelnen Elemente und deren Integration nicht außer Acht gelassen werden.

Na gut, dass klingt besser als meine eigene, eingangs erwähnte Definition.

Etwas weiter unten kann man dem wiki-Artikel entnehmen:

Die meisten Wissenschaftszweige (z. B. Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Informatik, Ingenieurswissenschaften, usw.) verwenden für Analysen bestimmte statistische Werkzeuge. Die Datenanalyse entspricht dabei der Phase der Auswertung und anschließenden Interpretation der gesammelten Daten.

Was, zum Geier, hat dann der z. B. über das Onlineportal der „Süddeutschen Zeitung“ verbreitete dpa-Artikel

„Analyse: Sportwaffen – Mordwaffen?“

mit Analyse zu tun?

„Experte“ 1:

«Wir streben ein generelles Verbot für den privaten Besitz großkalibriger Faustfeuerwaffen an», sagt der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD). Ausnahmen solle es nur für Jäger geben.

„Experte“ 2:

Auch der Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für Innere Sicherheit, Wolfgang Wieland, will weniger Waffen in deutschen Haushalten – wo Schätzungen zufolge rund zehn Millionen zulassungspflichtige Schusswaffen mehr oder weniger gut verstaut sind. So durfte der 17 Jahre alte Amokläufer von Winnenden, der 15 Menschen erschoss, zwar selbst keine Waffen besitzen – sein Vater jedoch hatte die 9mm-Pistole der Marke Beretta unverschlossen aufbewahrt.

Zumindest müssten Sportschützen gezwungen werden, Waffen und Munition getrennt aufzubewahren, sagt Wieland. Das Ziel müsse jedoch sein, «dass Sportschützen nicht mehr mit Großkaliberwaffen schießen dürfen». Denn: «Nicht allen Sportschützen geht es ausschließlich ums Zielen und Treffen. Die Vereine sind ein Schirm, unter dem sich auch Waffennarren aufhalten.»

„Experte“ 3:

Rückendeckung gibt es vom Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK). «Großkalibrige Pistolen und Revolver sollten nicht für privaten Sport benutzt werden», sagt BdK-Vize Bernd Carstensen. Eigentlich würden derartige Waffen für Polizei und Militär hergestellt. «Wir haben eine Vielzahl von Fällen, in denen Menschen mit solchen Waffen getötet oder verletzt wurden, und in denen die Täter legalen Zugang hatten.»

Dann etwas Desinformation, dem unbedarten Leser kann schließlich der Eindruck entstehen, man könne auf Schießstände einfach so Waffen zum mitnehmen mieten und die Unterschlagung der Information, dass die drei Opfer auf dem Schießstand und nicht sonst wo getötet wurden:

So erschoss im März diesen Jahres in Genthin (Sachsen-Anhalt) ein psychisch kranker Mann drei Menschen mit einer Waffe, die er an einem Schießstand ausgeliehen hatte.

Natürlich fehlt nicht der Verweis auf „Lörrach 1“, während „Lörrach 2“ ignoriert wird, zudem wird auch hier der Eindruck erweckt, dass alle drei Opfer erschossen wurden, obwohl dies nur beim Ehemann der Täterin zweifelsfrei fest steht. Auch wird unterschlagen, dass 17 großkalibrige Polizeikugeln nötig waren, um die Dame zu stoppen. Wegen der angeblich so besonders tödlichen Wirkung von Großkaliberprojektilen wollen die „Experten“ aber genau diese verbieten.

Im September 2010 lief im badischen Lörrach eine 41-jährige Anwältin Amok – sie tötete ihre Familie, erschoss den Pfleger eines Krankenhauses und feuerte so lange um sich, bis sie von der Polizei erschossen wurde. Auch sie war eine ehemalige Sportschützin.

Wer darf natürlich nicht fehlen? Genau:

Die Initiative «Keine Mordwaffen als Sportwaffen» hat eine Liste erstellt mit Fällen, in denen nach ihren Recherchen Menschen mit Sportwaffen getötet wurden. Von 1991 bis heute zählen die Waffengegner 121 Tote. Im vergangenen Jahr hat die Initiative gemeinsam mit Hinterbliebenen des Amoklaufs von Winnenden Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Als Feigenblatt und dem lächerlichen Versuch, diese „Analyse“ wenigstens etwas den Anschein objektiver Berichterstattung zu geben, wurden dann großzügigerweise noch ein halbwegs moderates Statement von Herrn Wiefelspütz und eines nicht näher benannten Unions-Fraktionssprechers zitiert.

Um dem Leser aber sogleich wieder auf den rechten Gesinnungspfad zu weisen und die Objektivität dieser „Analyse“ zu unterstreichen, folgen zwei Hyperlinks zu Verbotsfetischisten.

Eine Ansammlung von Statements von Waffenverbotsfanatikern ist keine „Analyse“, sondern Stimmungsmache, um nicht zu sagen, Propaganda.

Man könnte meinen, auch bei diesem journalistischen „Meisterwerk“ hat das hier dargestellte Ablaufschema als Blaupause gedient.

Vielleicht sind die in der dpa-Meldung zitierten „Experten“ einfach das „Beste“, was die Antiwaffennarren personell zu bieten haben und nur deshalb müssen immer wieder die gleichen Hanseln ihre faktenbefreiten Realitätsverschönerungshypothesen zum Besten geben.

Das zumindest wäre meine Theorie. Um nicht zu sagen, Analyse.

3 Kommentare

  1. Die Redakteure der SZ und aller anderen Medien sind vor allem Journalisten und keine Wissenschaftler. Von dem her musst du immer ernorme Abstriche bei der Aussagekraft und Objektivität machen.

    Ich empfehle wissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema. Diese Arbeiten erfüllen dann wenigstens wissenschaftliche Standards, z.B. Objektivität. http://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftliche_Arbeit

    Rezensiere doch mal eine solche Arbeit. Merkmale einer solchen Arbeit u.a.: Publikation nicht in einer Tageszeitung, sondern in einer Fachzeitschrift, strukturiertes Vorgehen, Zitationen, Literatur, Daten, …

  2. Von 1991 bis 2011 wurden 121 Menschen durch Sportwaffen getötet. Also in einem Zeitraum von 20 Jahren.

    Im gleichen Zeitraum sterben:
    – ca. 100.000 Menschen im Straßenverkehr
    – ca. 300.000 Menschen durch Ärztepfusch (Kunstfehler)
    – ca. 500.000 Menschen durch falsche Medikamentenvergabe und Wechselwirkungen

    … das kann man beliebig weiterführen. Wenn die Waffengegner so pietätlos sind Tote gegen Tote aufzurechnen und Tote durch Schusswaffen schlimmer sind als Tote durch andere Ursachen – sozusagen Opfer zweiter Klasse – bitteschön.

    „Jeder Tote ist einer zu viel“ – auch so eine schöne Floskel. Jeden Tag sterben in Deutschland tausende von Menschen. Aber die Opfer von Gewalttaten, vor allem Schusswaffenopfer, sind besonders schlimm. Warum eigentlich? Sicher – jeder einzelne Fall ist tragisch und für die Angehörigen schmerzhaft – aber statistisch gesehen völlig irrelevant. Selbst wenn die Waffendichte höher und das Waffengesetz lascher wäre – es würde nicht sehr viel mehr passieren.

    Etwa 30.000.000 Millionen Waffen soll es in Deutschland geben. Davon nur ca. 10 Mio. legal und registriert. Trotz dieser (auch im internationalen Vergleich) relativ hohen Zahlen passiert erstaunlich wenig. Sowohl mit den legalen als auch mit den illegalen Waffen.

    Ich persönlich sehe da gar keinen Handlungsbedarf.

Kommentare sind geschlossen.