Munitionsverschwendung adé – Schießen lernen am PC

Zugegeben, meine letzten Aktivitäten im „Counter-Strike“-Universum sind schon ein paar Jahre her und besonders gut habe ich mich als virtueller Terrorist bzw. Terroristen-Jäger auch nicht angestellt, meistens war ich als erster „tot“. Aber das virtuelle Sterben bin ich ja gewohnt, spätestens seit Atari mit seinem legendären Videospielsystem VCS 2600 die heimischen Wohnstuben eroberte, konnte man via Joystick alle möglichen und unmöglichen Situationen auf der Mattscheibe entweder überleben oder eben nicht, dann hieß es wieder einmal „Game Over“.

Im PC-Zeitalter läuteten „Wolfenstein 3D“ und „Doom“ die Ära der Eghoshooter ein, man sah sein Alter Ego nicht mehr nur zweidimensional von der Seite, sondern bewegte sich unmittelbar in einer dreidimensionalen Umgebung. Man steuerte nicht mehr irgend ein Pixelmännchen von links nach rechts, man war selbst mitten im Geschehen. Ansonsten änderte sich wenig, man musste sich durch die Levels kämpfen, Rätsel lösen, Schätze finden und eben aufpassen, nicht selbst von bösen Monstern oder Nazis das Lebenslicht ausgeknipst zu bekommen. Sie wissen ja, „Game Over“ und so.

Nun lese ich heute in der „Stuttgarter Zeitung„:

Es sei nicht allein ausschlaggebend, ob ein Patient Gewaltfantasien habe. „Es ist die Art und Weise, wie sich die Beschäftigung mit aggressiven Fantasien verdichtet hat. Das kann man sehr wohl erkennen“, so du Bois. Ähnliches gelte für den Konsum von Killerspielen, die längst Teil der Freizeitbeschäftigung vieler Jugendlicher geworden sind, sagte Jörg Fegert. Der Gebrauch solcher Spiele sei allein nicht als Indikator für mögliche spätere Gewalttaten tauglich. Gefährlich allerdings werde es, wenn die Spiele zur Steigerung der Treffsicherheit beim Schusswaffengebrauch und zur emotionalen Distanzierung benutzt würden – kurz, wenn mit ihnen eine reale Tat „geübt“ werde, sagte Fegert.

Vermutlich fehlt mir mit meinen paar Jahren Erfahrung im Großkaliberschießen als Sportschütze und meiner Schießausbildung bei der Bundeswehr der praktische Bezug zum Schießen und zu Feuerwaffen.

Anders kann ich es mir nicht erklären, warum Jugendliche ihre Treffsicherheit am PC verbessern können, ich aber nicht. Ich muss jedesmal sündhaft teure echte Patronen laden und verschießen, um meine bescheidenen Schießfertigkeiten zu trainieren bzw. zu verbessern.
Sollte ich da jahrelang Geld verplempert haben und könnte heute viel besser sein, wenn ich in der Zeit vor der Kiste gesessen und gedaddelt hätte? Meine Karate- bzw. Kung-Fu-Kenntnisse sind jedenfalls nach wie vor sehr unterentwickelt. Und dass, obwohl ich schon zu Commodore-64-Zeiten in „Bruce Lee“, „Karateka“ oder „The way of the exploding fist“ die Gegner reihenweise in den Staub geschickt habe.

Welche Treffsicherheit hätten also Robert S. oder Tim K. in ihren Kinderzimmern vorm Rechner verbessern können? Die Treffsicherheit mit Waffen, die man über Maus- oder Tastatureingaben bedient? Die keinen Rückstoß und Schussknall haben, deren Visier beim Zielen nicht anfängt zu verschwimmen, bei denen man beim Abziehen nicht verreißen kann?

In Erfurt und Winnenden ging es nicht um präzise Einzelschüsse auf 25 Meter Entfernung, die Massenmörder erschossen ihre wehrlosen Opfer aus kurzer bzw. kürzester Distanz, in dem sie ihre Magazine leerballerten. Das waren Hinrichtungen. Dazu braucht es keine Schießausbildung, weder auf einem Schießstand, noch am heimischen PC. Dazu braucht es vor allem eine Menge krimineller Energie und einen unbändigen Hass auf seine Mitmenschen.

Aber möglicherweise hatten „Counter Strike“ & Co. gar nicht den Zweck, die späteren Amokläufer aufs Schießen bzw. Morden vorzubereiten. Vielleicht haben sie nur ihren späteren echten Tod vorher virtuell geübt. „Game Over“ und so. Haben das die „Experten“ noch gar nicht ins Kalkül gezogen?

Nachtrag 08.07.2011 – unbedingt lesen:

Studie: Vier von fünf Killerspiele-Spielern zu fett für Amoklauf