2012: Ende der Welt oder nur vom legalen Waffenbesitz?

Das kommende Jahr wird nicht nur für Esoteriker mit Weltuntergangssehnsucht interessant.

Am 26. April 2012 wird es genau zehn Jahre her sein, dass in Erfurt ein ehemaliger Schüler am Gutenberg-Gymnasium wild um sich schoss und 16 Menschen tötete, bevor er sich sein Lebenslicht endlich selbst ausknipste.

Man muss kein Prophet sein um vorherzusehen, dass dieser traurige Jahrestag nicht nur zum stillen Gedenken an die Opfer genutzt wird.

Waffenverbotsfanatiker werden die Gelegenheit nutzen, die Opfer wieder mal für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und das Medieninteresse rund um den „Zehnten“ zur Selbstdarstellung und medialen Omnipräsenz nutzen.

Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was da auf „uns“ zukommt, gewährt das Online-Zeitungsportal der Zeitungsgruppe Thüringen:

Horst Fulsche hatte in den ersten Jahren nach dem Massaker in unserer Zeitung zweimal im Interview seine Meinung veröffentlicht. „Ich hatte das Gefühl, dass Zeitung und Betroffene gemeinsam nach Antworten auf die Frage Warum? suchen“, sagt er. Die Antwort aber steht weiterhin aus.

Der Täter hatte sich seinerzeit selbst gerichtet. Inwiefern er seine Tat – die offenbar gründlich vorbereitet war – im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verübte, blieb offen. Horst Fulsche erklärt mit Blick auf Innenminister Friedrich: Wenn er die Mitarbeit der Schützen bei der Durchsetzung der gesetzlichen Vorschriften zur Aufbewahrung von Schusswaffen anmahne, habe er „bestimmt Grund zu dieser Forderung. Mich würde nach wie vor interessieren, warum ein demokratischer Staat privaten Besitz von Waffen, mit denen Menschen getötet werden können, erlaubt?“

Bei allem Respekt, Herr Fulsche: Die ältesten Demokratien sind die USA und die Schweiz. Dort gab es keine Diktaturen, keine Gestapo und keine Endlösung. Bewaffnete Bürger sind keine Gefahr für eine Demokratie, vielmehr ist eine Demokratie in Gefahr, die ihre Bürger entwaffnet. Wer einem allmächtigen Staat mehr vertraut als den Bürgern, der hat aus der deutschen Geschichte nichts gelernt.

Auch die im Artikel genannte Tatsache, dass der Täter von Erfurt sein Plan lange vorbereitet hat, führt die Forderung nach zentraler Waffenlagerung oder gänzlichen Besitzverboten ad absurdum. Wer sich über alle unsere Rechtsnormen hinwegsetzt und zum Massenmord nicht nur in der Theorie, sondern auch in der praktischen Umsetzung bereit ist, der schert sich schon gar nicht um waffenrechtliche Vorschriften oder gar Verbote. Sich über Verbote hinwegzusetzen, könnte man natürlich auch verbieten…

Für den Mann, der am 26. April 2002 seine Tochter verlor, stellt sich auch die Frage: Welcher Minister oder Abgeordnete hat Gesetzesvorlagen eingebracht, die die Aneignung und Aufbewahrung solcher Waffen durch Privatpersonen beziehungsweise in privaten Haushalten untersagt? Sicherheitskräfte haben strenge Vorschriften im Umgang und für die Aufbewahrung von Dienstwaffen. Sportler, die für ihren Sport Waffen benutzen, müssen diese – und erst recht weitere – nicht zwingend außerhalb ihrer Trainings- und Wettkampfstätten privat verwahren. Schützenverbände könnten zum Beispiel, wenn sie nicht selber für sichere Waffenkammern sorgen können – die der nächstgelegenen Polizeiinspektion nutzen“, so sein Vorschlag.

Nun, die Zeitungen sind voll von Vorschlägen von PolitikerInnen aller Couleur, die sich für weitere Waffenrechtsverschärfungen bis hin zu Totalverboten ausgesprochen haben. Das es bisher „nur“ zu weiteren Verschärfungen und Schikanen zu Lasten der Besitzer registrierter Waffen reichte liegt wohl daran, dass im Bundestag noch ein Rest von gesundem Menschenverstand vorhanden ist, der wenigstens den aberwitzigsten der irrationalen Verbotsfantasien eine Mehrheit verweigerte.

Auch die Aussage zur den angeblich strengen Aufbewahrungsvorschriften für Sicherheitskräfte offenbart das Fehlen jeglicher Sachkenntnis. Die Waffen von Jägern oder Sportschützen müssen in Behältnissen mit genau vorgeschriebenen Schutzklassen eingeschlossen werden – im Gegensatz zu Dienstwaffen von Polizei oder Militär, für die das Waffengesetz und die darin enthaltenen Aufbewahrungsvorschriften eben NICHT gelten.

Horst Fulsches Haltung ist ganz klar: „Keine Waffen in Privatbesitz! Meiner Meinung nach wäre das ein wichtiger Beitrag zur Verminderung der Gefahr des Waffenmissbrauchs.“ Mit dieser Meinung sei er nicht allein, betont der Mann, der hofft, nun eine neuerliche Debatte um ein angemessenes Waffenrecht anstoßen zu können.

Waffenmissbrauch zu verhindern, ist ein ehrenwertes Ziel. Wenn man es schaffen würde, die deliktrelevanten, illegalen Waffen aus dem Verkehr zu ziehen, könnte man tatsächlich etwas für die „Innere Sicherheit“ tun.

Sich aber ausschließlich auf den kaum vorhandenen Missbrauch legal besessener Waffen zu fokussieren, ist wirkungsloser Aktionismus. Dieser Missbrauch könnte man durch Verbote natürlich auf null senken, weil die jeweiligen Besitzer eben so doof sind, sich ans Gesetz zu halten und ihre Schießeisen anmelden. Nur deshalb wissen die Behörden, wo sich die Dinger befinden.

Der massenhafte Missbrauch unregistrierter Waffen wird von diesen Weltverbessereren gar nicht wahrgenommen. Irgendwie wie Kinder, die einer Gefahr dadurch entgehen wollen, in dem sie die Augen schließen und das, was ihnen Angst macht, einfach nicht sehen.

Das Tragische ist aber: Je näher dieser 26. April 2012 rückt und je mehr wieder über Steinhäuser & Co. berichtet wird, um so größer wird die Gefahr, dass irgend ein Spinner auf die Idee kommt, seine Vorbilder nachzuahmen oder gar zu toppen. Je lauter gemahnt und gedacht wird, desto wahrscheinlicher wird der nächste Massenmord an einer Schule. Vielleicht wird das dann der Anlass sein, privaten Waffenbesitz noch weiter einzuschränken oder tatsächlich komplett zu verbieten und die Hoplophoben sind endlich am Ziel ihrer Träume.

Welchen Aktionsmus dann der übernächste Amoklauf auslöst, darüber kann man heute nur spekulieren.

3 Kommentare

  1. Der Verdacht, dass mediale Aufmerksamkeit Nachahmer finden wird, teilt sowohl die evangelische Kirche: http://www.evangelisch.de/themen/medien/medien-und-amoklaeufe-die-gefahr-der-nachahmung13995
    wie auch die Ärzte: http://www.aerzteblatt.de/archiv/64663/

    Dass nicht der Zugang zu Waffen die Auslöser für Amoktaten sind, sondern Fehler in der Gesellschaft, teilt der Familienverband, dem Rituale der Trennung fehlen:
    http://www.isuv.de/tiki-read_article.php?articleId=460
    und einige Psychater, die den Tabletten-Konsum im letzten Jahrzehnt kritisch betrachten:
    http://www.nw-news.de/top_news/3163573_Tabletten_steigern_Amok-Gefahr.html

    Vor 1972 gab es einen fast ungeregelten Zugang zu Langwaffen in Deutschland – jedoch keine Amokläufe. Diese – wie auch unerklärliche Selbstmorde und Morde im Nahbereich (insbesondere in der USA wegen hanebüchenen Gründen) – haben erst in den letzten 10 Jahren zugenommen.

    Hat wirklich der – in Deutschland ziemlich schwierige – Zugang zu legalen Waffen diese Taten begünstigt oder gibt es Faktoren wie Vereinsamung, nicht bewältigte Trauer, Ausgrenzung durch Mobbing und die verstärkte medikamentöse Behandlung von Depression mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI genannt, die als Nebenwirkung die Gefahr von aggressiven Durchbrüchen (Amok? Mord? Selbstmord?) zur Folge haben können?

    Warum tötet ein junger Heranwachsender in New York seine Mutter und anschließend 5 Menschen im Straßenverkehr? Weil sie ihm ihr Auto nicht freiwillig leihen wollte.

    Warum erschießt ein US-Familienvater seine Frau und Kinder? Weil die Eier hartgekocht waren.

    Warum erschießt ein junger Mensch in Gentin drei Menschen und anschließend sich selbst? Grund nicht bekannt.

    Warum sind vor einigen Jahren viele junge Japaner auf Feiern einfach so vom 10. Stock aus dem Fenster gesprungen?

    Bekannt ist mir, dass der junge Mann in Gentin gerade auf Entzug seiner Antidepressiva war, sowie die jungen Menschen in Japan mit Antidepressiva behandelt wurden.

    Die Geschichten der beiden US-Bürger wurde in unserer Presse leider nicht weiter verfolgt.

  2. Besteht der „Waffenmissbrauch“ nicht eher darin,
    dass Waffen zum Sport und zum Sammeln verwendet werden, statt bestimmungsgemäß die Verteidigungsfähigkeit von Mensch oder Tier herabzusetzen?

    Weil der Waffengebrauch so blutig ist,
    bin ich entschieden für Waffenmissbrauch durch Sportschützen und Sammler!

  3. @Thomas Leske

    Interessanter Gedanke, eine schöne Anregung für einen neuen Artikel. 🙂

    Wobei das mit dem „bestimmungsgemäßen Gebrauch“ auch nur zeigt, welche wirren Gedanken in manchen Ministerialbürokratenköpfen herumspuken…

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