Die juristische Belästigung, oder: Herr Ramelow und seine Auffassungen zum Waffenrecht

am 21.02.08 befragte ich Herrn Bodo Ramelow, seines Zeichens Bundestangsabgeordneter des Wahlkreises 195, Gera-Jena-Holzland-Kreis, auf www.abgeordnetenwatch.de zu seinen Ausführungen bezüglich einer von ihm unternommenen Aktion, mit der er beweisen wollte, wie einfach es doch sei, auch als nicht Berechtigter an Munition für scharfe Schusswaffen zu gelangen und seiner Rechtsauffassung.

Zur Erinnerung:

Herr Ramelow hatte sich seinerzeit auf einem Schießplatz in Thüringen mit der Absicht eingefunden, dort Munition zu erwerben und damit den Nachweis zu erbringen, wie nachlässig man doch in Deutschland mit der Einhaltung der Gesetze umgehe, indem er beweisen wollte, dass es in Deutschland problemlos möglich sei, auch als nicht Berechtigter an scharfe Munition zu gelangen und damit „Schindluder“ zu treiben.

Das Waffengesetz sagt dazu Folgendes:

Ausnahmen von den Erlaubnispflichten

Absatz 1 Nr.5:

Einer Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer Waffe bedarf nicht, wer diese auf einer Schießstätte (§ 27) lediglich vorübergehend zum Schießen auf dieser Schießstätte erwirbt

Absatz 2 Nr.2:

Einer Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Munition bedarf nicht, wer diese unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 5 zum sofortigen Verbrauch lediglich auf dieser Schießstätte (§ 27) erwirbt

Das Waffengesetz erlaubt also ausdrücklich den Erwerb von Munition für nicht Berechtigte, sofern diese zum sofortigen Verbrauch bestimmt ist.

Nun jedoch geht Herr Ramelow hin und versucht, den betroffenen Schießstandbetreiber zu diskreditieren, indem er vorsätzlich eine Straftat begeht, nämlich einen Verstoß gegen das Waffengesetz.
Vorsätzlich deshalb, weil er von Beginn an vorsah, die Munition nicht, wie vom Gesetzgeber verlangt, sofort zu verbrauchen, sondern sie sich in die Tasche zu stecken, also unerlaubt zu erwerben. Anschließend ging er mit dieser Munition zur Polizei um Meldung zu machen und bekam folgerichtig eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Worüber er sich unter Anderem in einem am 13.06.2004 durch Jan Seidel geführten Interview beschwerte:

Zitat Bodo Ramelow:

„Das Aktuellste, was mit mir mittlerweile nachhaltig verbunden wird, ist eine Handvoll Patronen, die ich einmal in der Hand hatte. Ich wollte damit deutlich machen, dass einerseits aus dem Massaker am Erfurter Gutenberg-Gymnasium in Richtung Schulpolitik nichts gelernt wurde, dass aber andererseits im Umgang mit waffenrechtlichen Bestimmungen in dieser Gesellschaft von staatlicher Seite zu lax umgegangen wird. Das ist keine Kritik an Jägern und Sportschützen, sondern ein klares Defizit. Es kann meines Erachtens nicht sein, dass auf gewerblichen Schießplätzen Munition erworben werden kann. Es funktioniert einfach, und es kontrolliert kein Mensch. Das wollte ich verdeutlichen und muss damit auch in Kauf nehmen, dass ich persönlich ein Strafverfahren an die Backe bekomme. Aber das ist nicht das erste Mal, dass ich mich von politischen Gegnern oder von Leuten, die sich von mir gestört fühlen, juristisch belästigen lassen muss.

Quelle

Anmerkung:
Natürlich muss man auch dem Betreiber des Schießstandes den Vorwurf machen, seinen Kontrollpflichten nicht in vollem Umfang nachgekommen zu sein. Allerdings ist auch nicht wirklich bekannt, wie es Herr Ramelow angestellt hat, mit der Munition in der Tasche den Stand zu verlassen, ohne dass es auffiel.

Herr Ramelow sieht also die folgerichtige Anzeige wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz als (Zitat) juristische Belästigung.
Das allein ist schon eine recht interessante Rechtsauffassung für einen Bundestagsabgeordneten, der in seiner Funktion unter Anderem auch an der Erarbeitung von Gesetzen mitwirken soll, die letztendlich dem Wohl der Allgemeinheit zu Gute kommen sollen.

Anmerkung:
Wenn also zukünftig Bürger durch Gesetzesverstöße (z.B. durch Begehung einer Straftat) auffällig werden, bekommen sie keine Anzeige, sondern werden juristisch belästigt.

In der am 13.02.2008 geführten öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Bundestages kam Herr Ramelow nun nochmals auf oben genannte Sache zu sprechen, indem er kurz den Vorfall beschrieb und seine Ausführungen mit der Anmerkung abschloss: „dieses Ermittlungsverfahren gegen mich ist selbstverständlich eingestellt worden…“.

Man beachte:
Herr Ramelow beging seinerzeit vorsätzlich eine Straftat, wobei vermutet werden darf, dass ihm die tatsächlich geltende Rechtslage (siehe Ausführungen zum Waffengesetz) bekannt war und setzt/setzte dennoch vorraus, dass ein entsprechendes Ermittlungsverfahren mit einem innewohnenden Selbstverständnis eingestellt wird/wurde.

Das wirft zumindest bei mir die erneute Frage nach der Rechtsauffassung des Herrn Ramelow auf. Denn bekanntlich sind nach dem Grundgesetz vor Gericht alle Menschen gleich. Oder sollten manche vielleicht doch gleicher sein?

Angetan von dieser Art aufopferungsbereiter Basisarbeit durch einen Bundestagsabgeordneten, befragte ich also Herrn Ramelow öffentlich zu seiner aus meiner Sicht durchaus fragwürdigen Rechtsauffassung.

Abgesehen von der Tatsache, dass er weitestgehend an meiner eigentlichen Fragestellung vorbei geantwortet hat, nachzulesen auf www.abgeordnetenwatch.de, war die Antwort dennoch recht interessant:
Stellte er in dem oben auszugsweise zitierten Interview als Begründung für die von ihm begangene Straftat noch darauf ab, damit den Beweis erbringen zu wollen, wie lasch in Deutschland bei der Einhaltung von Gesetzen agiert wird, war es nun der Beweis, wie leicht es doch für Erben wäre, an scharfe Munition zu gelangen und damit einen möglichen Missbrauch ihrer sogenannten Erbwaffen voranzutreiben.

Was denn nun Herr Ramelow?
Wollten Sie beweisen, dass man in Deutschland die Gesetze nicht befolgt? Dann hätten Sie ja zunächst mal bei sich selbst beginnen müssen. Oder wollten Sie beweisen, dass es für Erben einfach ist, an Munition zu gelangen? Auch dazu wäre es nicht nötig gewesen, den Betreiber eines Schießstandes zu diskreditieren.
Denn wer eine Straftat mit einer Waffe begehen will, wird sich in aller Regel weder Waffe noch Munition auf offiziellem Weg besorgen, sondern sich diese auf anderen Quellen, volkstümlich Schwarzmarkt genannt, besorgen.

In so fern, und auch eingedenk dessen, dass einerseits vermutet werden darf, dass Ihnen bereits damals die tatsächliche Rechtslage in Deutschland bekannt war und andererseits eingedenk Ihrer Aussage im Internetchat nach der Sendung „Anne Will…“, nach der sie sich als selbsterklärtes (Zitat) „Feindbild der Waffenlobby“ sehen, weil sie vehement gegen den privaten Waffenbesitz ankämpfen, sehe ich Ihre Aktion lediglich als polemische Propaganda um ihrer selbst Willen, mit dem Ziel, den Legalwaffenbesitz in Deutschland zu diskreditieren und somit eine neuerliche, noch schärfere Gesetzgebung voranzutreiben, die irgendwann in ein Totalverbot münden soll.

Fortsetzung folgt, denn ich lasse nicht locker

Auch hier gibt es eine recht interessante Fortsetzung:

Wie versprochen habe ich nicht locker gelassen und habe Herrn Ramelow erneut angefragt: Link

Dieses mal ging Herr Ramelow schon etwas mehr auf meine Fragestellung ein:

„…um Ihre Frage zu beantworten: Als „selbstverständlich“ sehe ich die Einstellung des Verfahrens deshalb an, weil ich ausschließlich zur Verdeutlichung meiner politischen Argumentation eine sehr kleine Menge an Munition erwarb und dies unmittelbar darauf öffentlich machte…“

Heißt das nun, dass in Zukunft jeder Bürger gegen das Gesetz verstoßen und eine anschließende Einstellung des Verfahrens erwarten darf, wenn er glaubhaft darlegt, dass dies lediglich der Verdeutlichung einer Argumentation diente?
Dürfte jemand dann also z.B. ohne Führerschein fahren, wenn er damit lediglich beweisen will, dass es auch ohne Führerschein möglich ist, ein Kraftfahrzeug zu führen? Und selbst wenn er dies mehrfach tut, müssten dann die jeweiligen Verfahren nicht eingestellt werden, wenn der Betreffende glaubhaft darlegt, dass er lediglich beweisen wollte, dass man auch mehrfach ohne Führerschein ein Kraftfahrzeug führen kann?
Nun Herr Ramelow, ihr leuchtendes Beispiel eröffnet ja dann den Straftätern in Deutschland völlig neue Möglichkeiten. Die Straftat als wissenschaftliches Experiment.

Aber nun mal wieder zurück zum Waffenrecht:
Herr Ramelow lies sich ja auch den Versuch nicht nehmen, die Erfurt-Keule als universelles Totschlagargument für jegliche Bedenken gegen die Novellierung des WaffG auszupacken:

„…und möchte lediglich hinzufügen, dass ich mir als Erfurter, der das Gutenberg-Massaker miterlebt hat, sehr schwer damit tue, Gefahren von Waffen mittels Statistiken herunterzurechnen…“.

Recht arm Herr Ramelow, wenn Ihnen keine stichhaltigeren Argumente einfallen, als mit einem mittlerweile zur Genüge strapazierten Totschlagargument zu polemisieren.

Aber weiter im Text:
Statistiken sind also nicht argumentationstauglich. Zumindest dann nicht, wenn sie die Zielführung des Ansinnens des Befragten berechtigterweise in Frage stellen. Kann man aber auch verstehen, denn wenn die Zahlen der BKA-Statistik ein klar anderes Bild zeichnen, als es für die Durchsetzung der Novellierung tauglich wäre, können diese Statistiken per se nicht argumentationstauglich sein.
Immer getreu dem Motto: „Verwirren Sie mich nicht mit Fakten, schließlich steht meine Meinung bereits fest.“.

Noch was vergessen? Ach ja, da war ja noch was. Herr Ramelow hatte mich ja gründlich darauf hingewiesen, dass ich ihn in meiner Vermutung, sein Engagement wäre sachferne polemische Propaganda zum Selbstzweck, missverstanden hätte:

„…Wenn Sie das als „polemische Propaganda“ empfinden, haben Sie mich gründlich missverstanden…“

Nun, das könnte man jetzt ja mal einfach so stehen lassen. Könnte… wenn er da nicht auf die spätere Fragestellung eines weiteren Users nach seinen Intentionen Folgendes geantwortet hätte:

„…Im konkreten Fall des Waffenrechts kommen in der Tat die besondere Tragik der Geschehnisse in Erfurt und meine persönliche Betroffenheit dazu, die mich antreiben, die Problematik immer wieder zu thematisieren…“

Danke Herr Ramelow,
setzt man Ihre obige Einlassung folgerichtig in den Kontext zu Ihrem Standpunkt bezüglich der aktuellen Novellierung des WaffG, wird klar, dass es sich bei Ihrem Standpunkt und ihrer „Aktion Schießstand“ nicht um ein angesichts der Lage dringlichst angeratenes politisches Bestreben, sondern um einen Teil eines nachgängigen persönlichen Rachefeldzuges gegen den Täter von Erfurt handelt. Und dass nunmehr redliche und gesetzestreue Legalwaffenbesitzer auch im Nachgang für die Taten eines Einzelnen einzustehen haben.
Ein recht interessanter Standpunkt für jemanden, der gewählt wurde, um die politischen Interessen seiner Wähler wahrzunehmen.

Dennoch danke,
Denn besser hätte man den Beweis nicht erbringen können, dass ihre „Aktion Schießstand“ nichts weiter war, als sachferne polemische Propaganda zum Selbstzweck.

Und wieder eine deutliche Wahlempfehlung für alle, die immernoch unentschlossen sind…

4 Kommentare

  1. Nein,
    anzeigen kann man den Mann nicht mehr, da das entsprechende Ermittlungsverfahren bereits (sicher auch mit rechtskonformer Begründung) eingestellt wurde.
    Jedoch sollte dieser Umstand nicht daran hindern, es dennoch öffentlich zu machen.

  2. Wie wäre es mit folgendem: ich gehe in das nächste Ladengeschäft und stecke mir dort Sachen ein, die ich vielleicht brauchen könnte. Für den Fall, dass ich erwischt werde, sage ich: „Ich wollte nur beweisen, wie einfach es ist, in Deutschland einen Diebstahl zu begehen. Und ich gehe davon aus, dass ein etwaiges Ermittlungsverfahren gegen mich SELBSTVERSTÄNDLICH eingestellt wird.“
    Ich kann mir Richter vorstellen, die daraufhin eine Untersuchung meines Geisteszustandes veranlassen würden.
    Hier hat jemand deutlich aufgezeigt, dass George Orwells Interpretation des Gleichheitsgrundsatzes immer noch aktuell ist.

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