Irrationales Waffenregister

Passend zum zehnten Jahrestag des Erfurter Massenmords stimmte die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestags für die Errichtung eines „Nationalen Waffenregisters“ („NWR“).

BERLIN/MZ. Die Nachteulen unter den Bundestagsabgeordneten werden am späten Donnerstagabend das Waffenrecht in Deutschland abermals verschärfen. Gegen 0.40 Uhr, so sieht es die Tagesordnung vor, soll das Parlament der „Errichtung eines Nationalen Waffenregisters“ zustimmen.
Auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Amoklauf im Erfurter Gutenberg-Gymnasium, gut drei Jahre nach einer vergleichbaren Tat im baden-württembergischen Winnenden soll künftig zentral erfasst werden, welcher Bürger mit welcher Erlaubnis legal über welche Waffen und Munition verfügt. Damit setzt die Bundesrepublik zwei Jahre früher als geplant eine entsprechende EU-Richtlinie um.

Damit will man, zumindest scheinen sich da die auch sonst nicht gerade durch besondere Realitätsnähe glänzenden oder mit einem Sinn fürs Praktische ausgestatteten Berufspolitiker sicher zu sein, in Zukunft Amokläufe verhindern. Immerhin wird man zukünftig, falls man beim nächsten „Amoklauf“ wieder so viel „Glück“ wie in Erfurt oder Winnenden hatte und eine halbwegs legale Waffe im Spiel war, deren Eigentümer noch schneller ermitteln könne.

Nach der Tat, wohlgemerkt.

Vielleicht hat man in der Euphorie über diesen weiteren Meilenstein hin zur Totalentwaffnung der ehrlichen und unbescholtenen Bürger einfach „aufklären“ und „verhindern“ verwechselt. Kann ja mal vorkommen.

Einen kleinen Vorgeschmack, wie dieses Wunderwerk „NWR“ funktionieren bzw. eben nicht funktionieren und welche Auswirkungen es haben wird, verdeutlichte die Schießerei in Siegen vom 25.04.2012:

Polizisten hatten den Mann am späten Vormittag wegen einer Ermittlung befragt. Beim Versuch, ihn festzunehmen, zog der Mann eine Pistole, schoss in die Luft und nahm den Polizisten ihre Dienstwaffen ab. Er flüchtete in seine Wohnung in der Siegener Innenstadt. Dort schoss er vom Balkon aus mit einer Schnellfeuerwaffe in die Luft.
(…)
Bei dem Mann handelt es sich um einen mutmaßlichen Autoschieber. Seine Bande soll am Dienstag aufgeflogen sein.

Für den unbedarften Beobachter könnte da schon der Eindruck entstehen, dass Verdächtige, die mangels Zuverlässigkeit bzw. durch ein entsprechendes Vorstrafenregister auch über keine registrierten Waffen verfügen dürfen/können, über die eine Behörde oder gar das „Nationale Waffenregister“ Auskunft geben könnte, per se als eher „harmlos“ gelten.

Da wurde kein SEK mit dem Zugriff beauftragt, sondern „normale“ Polizisten eingesetzt – die sich von dem Kriminellen dann auch prompt überrumpeln und bei der Gelegenheit gleich entwaffnen ließen.

Dass es auch anders geht, zeigt der folgende Fall aus dem vergangenen Jahr:

0y_2011_mt_derwesten_rolli_sek_a.gif

Essen. Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) hat in der Wohnung eines 60-Jährigen mehrere großkalibrige Schusswaffen sicher gestellt.Der Rollstuhlfahrer, der als Sportschütze aktiv ist, besaß mehrere Pistolen und Gewehre.

In diesem Fall kann man wohl davon ausgehen, dass durch den ordnungsgemäß registrierten Waffenbesitz die Polizeikräfte wussten, dass der Mann Schusswaffen besitzt und genau deshalb ein SEK mit dem Zugriff betraut wurde. Auch wenn es sich um einen, darauf lässt jedenfalls der „Rollstuhlfahrer“ schließen, Körperbehinderten handelte.

Genau hier liegt der Hase im Pfeffer beim „NWR“:

Zum einen steht zu befürchten, dass es eine „Zweiklassengesellschaft“ der Verdächtigen gibt, denen ein Hausbesuch bevor steht.

Einerseits die Ehrlichen und Dummen mit registrierten Waffen, bei denen die Staatsmacht, selbst wenn der Verdächtige im Rollstuhl sitzt, das volle Programm abzieht.

Auf der anderen Seite, wie in Siegen, wird das Gefährdungspotenzial durch Kriminelle vollkommen unterschätzt und Polizeibeamte laufen ins offene Messer.

Diese Zweiklassengesellschaft in Abhängigeit eines vorhanden oder eben fehlenen Eintrags ins „NWR“ führt möglicherweise zu gefährlichen Fehleinschätzungen mit fatalen Folgen.

Eine negative Auskunft kann zu Nachlässigkeiten oder Fehleinschätzungen der Bedrohungslage führen und nicht immer wird das so glimpflich enden wie in Siegen.

Die größte Gefahr besteht aber im Missbrauch des NWR durch Kriminelle. Genau so wenig, wie es zu verhindern war, dass ein Schweizer Bankangesteller die Datensätze von tausenden Steuersündern auf CD brennt und an deutsche Behörden verkauft wird es zu verhindern sein, dass ein deutscher Behördenmitarbeiter Namen, Adressen und Bestand von Jägern oder Sammler an die organisierte Kriminalität vertickt.

Wobei man hierzulande nicht einmal korrupte Mitarbeiter oder die OK braucht, um an vertrauliche Daten zu kommen.

Bundes- und Landesdatenschutzbeauftragte scheint die Brisanz eines solchen Registers auch nicht weiter zu stören. Vermutlich ist man immer noch damit beschäftigt, die Persönlichkeistrechte von Häuserfronten in Google Street View angemessen zu wahren.

Nachtrag:

Wie im Kommentarbereich ersichtlich, wurde ein Petition gegen die Einführung des NWR eingereicht.
Mitzuzeichnen unter https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=23045

5 Kommentare

  1. …und George Orwell hat es schon 1948 gewußt!

    Apropos: laut dem Buch „Ermitteln verboten“ sitzen manche von diesen „ehrenwerten Herren“ (auch aus dem Osten)als Gäste bei Polizeikongressen und ähnlichen Veranstaltungen und freuen sich diebisch und sind bestens informiert. Das sind sie aber sowieso, weil sie schlicht besser zahlen können!
    Vor denen fürchte ich mich aber weniger als vor unsrer eignen Chefetage!

  2. In Florida ist so ein Waffenregister als „Einkaufsliste für Kriminelle“ verboten und Waffenbesitzer, die aufgrund ihres Background-Checks beraubt wurden, können sogar Schadensersatz gegen die Speicherung ihrer Daten verlangen.

Kommentare sind geschlossen.