Hässlicher Glückwunsch zum Geburtstag

Stellen Sie sich mal vor, eine Agenturmeldung über die bevorstehenden Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag des Deutschen Fußball Bundes erscheint und ein großer Teil des Artikels besteht aus Stellungnahmen von völlig inkompetenten Fußballhassern, denen der Redakteur mehr Raum einräumt, als dem eigentlichen Jubilar.

Zumindest würde man sich fragen, ob man zu so einem Jubiläum nicht eher die vielen positiven Seiten und Erfolge herausstellen sollte, die so ein Verband mit seinen in anderthalb Jahrhunderten zugehörigen Millionen von Mitgliedern erreicht hat und immer noch erreicht.

Von seinem 150. Jubiläum ist der DFB zwar noch einige Jahrzehnte entfernt, der Deutsche Schützenbund hingegen kann dieser Tage so ein rundes Jubiläum feiern. Die „Würdigung“ sieht dann so aus:

Schützenbund feiert 150 Jahre Brauchtum, Sport und Waffen

Von Theresa Münch, dpa Gotha (dpa) – Die einen tragen grüne Uniformen, die Brust voller Abzeichen, und zielen auf einen hölzernen Vogel. Die anderen – im Sportdress und mit Ohrenschützern – treffen die schwarze 10 der Schießscheibe. Beide Gruppen gehören zum Deutschen Schützenbund – er schafft mit seinen mehr als 1,4 Millionen Mitgliedern den Spagat zwischen Sport und Brauchtum. Am kommenden Wochenende (8. bis 10. Juli) begeht der Schützenbund am Gründungsort in Gotha sein 150-jähriges Bestehen. Grund zum Feiern aber gab es zuletzt wenig: Seit den Amokläufen an deutschen Schulen stehen die Schützen und ihr Umgang mit gefährlichen Waffen selbst im Fadenkreuz.

Denn dem Deutsche Schützenbund muss noch ein anderer Spagat gelingen: Der zwischen Sportlern, denen es um Konzentration und Leistung geht, und Waffennarren, die eine Bestätigung ihrer Männlichkeit suchen. Keiner der Amokläufer in Erfurt, Winnenden oder Lörrach sei aktives Mitglied in einem Schützenverein gewesen, betont Schützenbund-Präsident Josef Ambacher.

Da sind sie, die „gefährlichen Waffen“ und die „Waffennarren, die eine Bestätigung ihrer Männlichkeit suchen“. Vielleicht sollte Frau Münch über Schützenvereine nicht nur schreiben, sondern auch mal welche besuchen. Auf den Gedanken, dass der größte Teil der Schützen keinen Leistungs- sondern Breitensport betreibt und man am Schießen auch Spaß und Freude haben darf, ist sie selbst nicht gekommen. Und vielleicht können ihr ein paar Schützinnen erklären, wie das so ist mit der „Bestätigung ihrer Männlichkeit“. Allerdings sollte schon beim Lesen des in der Überschrift von „Brauchtum – Hobby – Sport“ in „Brauchtum, Sport und Waffen“ verunstalteten DSB-Slogans klar gewesen sein, wohin die Reise geht.

Auch die übliche „Experten“ durften natürlich nicht fehlen:

Ihre Waffen könnten die Schützen ruhig zu Hause aufbewahren, meint der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen. Die Munition aber müsse davon getrennt werden. So komme man den Waffenliebhabern entgegen, die ihr Stück pflegen und bewundern, vermeide aber Leid und Gefahr. «Speere und Hammer in der Leichtathletik bewahrt man ja auch nicht im Wohnzimmer auf.» Den Schießsport an sich mache dieser Vorschlag nicht unmöglich – außerdem sei «die sportliche Seite» des Schützenwesens mit seiner Jugendarbeit ja auch eine gute Sache.

Immerhin, jetzt ist er nur noch gegen die häusliche Munitionsaufbewahrung und das er die Jugendarbeit der Vereine lobt, ist auch neu.

Trotzdem sollte einem Polizeifunktionär klar sein, von welcher Realitätsferne seine Forderung zeugt. Davon abgesehen, dass man solche Vorgaben leicht unterlaufen und niemand dies kontrollieren kann, wäre es doch für jeden vorsätzlich handelnden Täter nur ein Umweg, wenn er sich die Patronen für sein geplantes Verbrechen unter einem Vorwand im Verein holt oder einfach neue Munition kauft.

Das man Segelboote, Speere, Hochsprungstäbe oder Reitpferde nicht zu Hause aufbewahrt, dürfte wohl weniger mit dem Willen der jeweiligen Sportler zusammenhängen, als einfach der Tatsache geschuldet sein, dass man den Krempel nicht in Kurzwaffentresore mit dem Innenmaß eines Schukartons stopfen kann. Allerdings könnte man auch drei Dutzend Speere und eine ganze Herde Pferde zu Hause aufbewahren, wenn man den nötigen Platz und das nötige Kleingeld dazu hat. Und, das sollte Herr Jansen wissen, Waffenbesitzer sind vom Gesetzgeber dazu verpflichtet, ihre Schusswaffen so aufzubewahren, dass kein Unberechtigter Zugriff erlangen kann. Dazu muss man aber wissen, wo die Dinger sind und das funktioniert nicht, wenn die Aufbewahrungstelle 25 km weg ist und Hinz und Kunz Zutritt haben.

«Der Schützenbund ist keine verkappte Killertruppe», sagt auch Roman Grafe vom Bündnis «Keine Mordwaffen als Sportwaffen». Trotzdem seien seit 1991 mehr als hundert Menschen mit Waffen von Sportschützen getötet worden. Dabei würden für den Sport doch auch Druckluft- oder Laserwaffen genügen.

Selbst wenn die Zahlen stimmen würden, was bei Herrn Grafes Angaben keineswegs sicher ist, bedeutet dies bei einer „Legalwaffenquote“ von fünf Prozent im Umkehrschluss: Seit 1991 sind mindestens 19 mal so viele Menschen durch illegale Waffen getötet worden. Darüber regt sich Herr Grafe aber nicht auf. Vielleicht sollte er einen Blick in die aktuelle „Focus“-Ausgabe (27/2011, Seite 54/55) werfen.

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Fakten statt Ammenmärchen von der IANSA & Co. Aber bestimmt ist der Focus auch von der bösen Waffenlobby unterwandert und die zitierten Zahlen aus BKA-Statistik sowieso. So wird man sich wieder in selektiver Wahrnehmung üben und, wie gehabt, Tatsachen, die das eigene Weltbild in Frage stellen, einfach ignorieren.

Ob der DSB nochmal 150 Jahre oder wenigstens 50 Jahre existieren wird, steht in den Sternen. Weltverbesserer wie ein Herr Grafe in ihrem missionarischen Eifer werden jedenfalls nicht eher ruhen, bevor auch der letzte Schütze entwaffnet und die Welt dadurch vermeintlich sicherer wird.

In diesem und den kommenenden Jahren gibt es in vielen Städten und Dörfern übrigens auch so etwas wie ein „Jubiläum“ zu feiern, 75 Jahre erzwungene Auflösung von Schützenvereinen in Deutschland. Per Führererlass.

Bewaffnete, freiheitliche Bürger sind eben nicht sehr wohl gelitten, schon gar nicht in Diktaturen.

Ob manche Leute wissen, in wessen Fußstapfen sie da eigentlich wandeln?

Wie dem auch sei:

Alles Gute zum Geburtstag, DSB!

Nachtrag 09.02.2011:

Das man sich als Journalist auch mit der Materie befassen und dem Leser Hintergründe statt die üblichen Klischees liefern kann, zeigt der Artikel Eckhard Fuhr von in der Welt.

3 Kommentare

  1. Hallo Redaktion,

    sehr gut gemacht, gefällt mir gut.

    Ich vergleiche das Sportschießen immer mit Motorradfahren(bin selbst einer) Hobby mit gefährlichem Sportgerät!!!??? Wie viel Tote und Verletzte gibt es da im Jahr? Wie viele Gefährtungen im Straßen verkehr? Kein Mensch denkt daran Motorradfahren zu verbieten.

    Grüße Joachim

  2. Huhu Joachim,

    mit solchen Vergleichen halte ich mich zurück. Nicht, weil es beim Motorradfahren keine Toten gibt, sondern weil i. d. R. der Vorsatz fehlt.

    Schusswaffenopfer wird man in fast allen Fällen wegen eines vorsätzlich handelnden Täters, nicht, weil man zu schnell in eine Kurve fährt oder einer einem die Vorfahrt nimmt oder an der falschen Stelle Öl verloren hat.

    Es gibt kaum Unfälle beim Sportschießen oder Jagen, wenn mit Waffen etwas passiert, dann fast immer, weil Absicht dahinter steckt. Menschen zu töten oder zu verletzten ist schon verboten, das kann man nicht dadurch verhindern, in dem man ein mögliches Tatmittel verbietet.

  3. Einen großen Anteil an den Straftaten mit legalen Waffen nehmen Polizeiwaffen ein. Polizist ist ein schlecht bezahlter Beruf mit großen Belastungen und enorm viel Stress. Viele Polizisten leben in Wochenendbeziehungen (Dienst in Frankfurt oder München, Familien irgendwo auf dem Acker). Die daraus resultierenden Beziehungstaten sind der Grund, warum die Statistiken nicht besser aufgeschlüsselt werden. Mit anderen Worten: Selbst bei völliger Abschaffung der Jagd und des Sportschießens gäbe es weiterhin Straftaten mit legalen Waffen.

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